Das Gesundheitsforum fand bereits zum zweiten Mal in München statt. Es wurde von der Ghorfa in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege veranstaltet. An dem Event nahmen etwa 200 hochrangige Experten und Entscheider aus Deutschland und der arabischen Welt teil.

Zum Auftakt des Forums begrüßte Ghorfa-Generalsekretär Abdulaziz Al-Mikhlafi die Gäste. Er gab einen Überblick über die Entwicklung der arabisch-deutschen Wirtschaftsbeziehungen. So hat sich das Handelsvolumen zwischen Deutschland und der arabischen Welt in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt und im Jahr 2015 einen Wert von 52,1 Mrd. Euro erreicht. Auch die arabischen Investitionen in Deutschland nahmen erheblich zu und belaufen sich mittlerweile auf etwa 100 Mrd. Euro. Den Gesundheitssektor bezeichnete der Ghorfa-Generalsekretär als eine starke, treibende Kraft der deutsch-arabischen Wirtschaftsbeziehungen. Die arabischen Länder verfolgten durchweg das Ziel, das Gesundheitswesen auszubauen. In den Staaten des Golfkooperationsrates solle der Gesundheitsmarkt von derzeit 40,3 Mrd. US-Dollar bis zum Jahr 2020 auf 71,3 Mrd. US-Dollar wachsen. In deutschen Unternehmen und Institutionen hätten die arabischen Länder verlässliche Partner.

Auch Ghorfa-Präsident Dr. Peter Ramsauer hob auf das große Potenzial der arabisch-deutschen Kooperation im Gesundheitswesen ab. Das hohe Bevölkerungswachstum, das steigende Einkommensniveau und die ambitionierten Regierungspläne beim Ausbau und der Modernisierung des Sektors in der arabischen Welt verlangten nach effizienten Lösungen und modernen Technologiestandards. Deutsche Unternehmen stünden als nachhaltige Partner für die entsprechenden Projekte bereit. Dabei hätten beide Seite ein ausgesprochenes Interesse an langfristigen und wirklichen Partnerschaften.

Große Chancen für die bayerische Gesundheitswirtschaft sieht Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml in den arabischen Golfstaaten. „Das Potenzial unserer Zusammenarbeit ist noch längst nicht ausgeschöpft. Bayern kann mit seiner hohen Innovationskraft und ausgezeichneten Versorgungsstrukturen wichtige Unterstützung leisten“, sagte die Ministerin auf dem Gesundheitsforum. Sie fügte hinzu: „Die arabischen Golfstaaten sind für Bayern ein wichtiger Exportmarkt. Insbesondere die hochinnovative bayerische Medizintechnik genießt in der arabischen Welt hohes Ansehen. Aber auch bei medizinischen Dienstleistungen und Arzneimitteln wird bayerische Expertise nachgefragt.“ Nach Angaben von Frau Huml entscheiden sich mehr als ein Viertel aller arabischen Patienten, die für eine stationäre Behandlung nach Deutschland kommen, für Bayern. Im Jahr 2014 waren das rund 3.600 Patienten. Schätzungsweise die gleiche Anzahl kommt eigens zur ambulanten Behandlung nach Bayern. „Dies zeigt eindrucksvoll: Unsere bayerische Hochleistungsmedizin ist bekannt und genießt international größtes Vertrauen“, sagte die Ministerin.

Laut Dr. Waleed Khalifa Al Manea (Assistant Undersecretary for Hospital Affairs im Ministry of Health, Bahrain) hat die Gesundheitsfürsorge für die Regierung in Bahrain höchste Priorität. Jeder Einwohner habe ausnahmslos Zugang zu Krankenhäusern und Primary Health Care Centers. In Deutschland arbeite Bahrain insbesondere mit der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz in Hamburg zusammen. Großes Interesse habe man vor allem an der Ausbildung von medizinischem Fachpersonal in Deutschland. Das Gesundheitsministerium in Bahrain habe zahlreiche Projekte in allen Bereichen des Gesundheitswesens in der Pipeline. Die Zusammenarbeit mit deutschen Anbietern bei diesen Vorhaben sei erwünscht.

Im Rahmen des arabisch-deutschen Gesundheitsforums fanden sechs Sitzungen statt. Sitzung 1 („Medical Technology & Research: Innovation and State-of-the Art Projects”) wurde von Jad Ayoub (Business Director, Bioscientia GmbH) moderiert. Dr. Markus Krämer (Country Manager Iraq, Siemens Healthcare GmbH) hielt einen Vortrag über das Potenzial innovativer Verfahren bei der Krebsdiagnose. Vorgestellt wurde eine Kombination aus zwei bildgebenden Untersuchungsverfahren (PET/CT).

Marita Mitschein von SAP (Senior Vice President Strategic Investments MENA und Managing Director, SAP Training & Development Institute) ging auf die Möglichkeiten der Informationstechnologie im Gesundheitssektor ein. So ermögliche es ihr Unternehmen, klinische Patientendaten mit mobilen Geräten und mit der mobilen SAP-Unternehmenssoftware zu erfassen. Heike Jordan (Geschäftsführerin, Meyer-Haake GmbH Medical Innovations) gab einen Überblick über das Feld der Hochfrequenz-Chirurgie und den damit in Verbindung stehenden chirurgischen Geräten.

Der Neurochirurg Dr. Eyad Faizo, Präsident der Saudi Doctor Association in Deutschland und Mitglied des Patienten-Services der saudischen Botschaft in Berlin, referierte über Innovationen in der Medizin. Neue Technologien helfen, Zeit und Geld zu sparen, Patientenleben zu retten und die Lebensqualität der Patienten zu verbessern, sagte Dr. Faizo. Es gehe daher kein Weg daran vorbei, massiv in Technologien zu investieren.

Sitzung 2 („IT enhances Opportunities: Big Data, E-Health, Mobile Health, Digital Health“) wurde von Dr. Alexander Tettenborn, im Bundeswirtschaftsministerium für die Entwicklung digitaler Technologien zuständig, moderiert.  Hermann Kamp (CEO, Clinic-All International Corporation) bezeichnete die Digitalisierung im Gesundheitssektor als notwendigen Trend. Das Thema „Big Data“ sei auch im Klinikalltag eine große Herausforderung, die mit steigenden Technologiekosten verbunden sei. Ein großer Effizienzgewinn sei möglich, wenn die Digitalisierung in den Krankenhäusern vorangetrieben werde.

Dr. med. Jan-Christoph Loh (Geschäftsführer, Medexo GmbH) referierte über Telemedizin und insbesondere eine so genannte „telemedizinische zweite Meinung“. Seine Firma, die Medexo GmbH, ist das erste Unternehmen in Deutschland, das in diesem Bereich einen Service anbietet. Prof. Dr. med. Bodo Kress (Leiter der Neuroradiologie am Krankhaus Nordwest in Frankfurt am Main) ging auf Telemedizin in Krankenhäusern ein. Damit ließen sich auch Hospitäler an sehr weit entfernten Orten betreuten. Ein sensibler Aspekt sei in diesem Bereich die Datensicherheit.

Prof. Dr. med. Klemens Budde (Klinik-Direktor an der Charité in Berlin) stellte das Programm Medical Allround-Care Service Solution (MACSS) vor. Mit dieser neuartigen Anwendung können Patient und Arzt sowie die behandelnden Ärzte untereinander sicher kommunizieren und krankheitsrelevante Informationen austauschen. Die neuen Systeme und Apps werden in der Behandlung nierentransplantierter Patienten an der Charité erprobt. Prof. Dr. Hans Uszkoreit (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, DFKI) ging auf weitere technische Aspekte von MACSS ein. In der Patienten-Arzt-Kommunikation sei vor allem die systematische Übersetzung von medizinischer Fachsprache entscheidend. Mit Hilfe des so genannten „Labeling“ sei es möglich, ein System für Übersetzungen unterschiedlicher Formulierungen einzuführen.

Dr. Thomas Zahn (Geschäftsführer, AOK Nordwest) stellte das von der Bundesregierung geförderte Projekt „Smart Analysis – Health Research Access (SAHARA)“ vor. Sein Ziel ist es, die im Krankenhaus, bei den Krankenkassen oder in der Arztpraxis anfallenden Daten kombinierbar und für die Versorgungsforschung zugänglich zu machen.

Im Anschluss an Sitzung 2 fand eine „Network and Expert Discussion“ zum Thema „Pharma: Business Potentials and Challenges“ statt. Sie wurde von Dr. Walter Schwerdtfeger, ehemaliger Präsident des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte, geleitet. Referenten waren Rasha Oudeh (CEO Cedem AG, Schweiz) und Dr. Uwe Andreas Amman (Detecon International GmbH).

Im Mittelpunkt der Diskussion standen die dynamische Entwicklung des Pharma-Marktes in den arabischen Ländern, Aspekte des Vertriebs und des Marketings sowie Fragen der Arzneimittelversorgung. So wies Frau Oudeh darauf hin, dass einige arabische Länder den Marktzugang von Arzneimitteln nur bei gleichzeitiger inländischer Erzeugung gestatten. Teilnehmer merkten an, dass solche Rahmenbedingungen insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen nicht attraktiv seien. Dr. Amman bescheinigte dem Pharma-Sektor in der arabischen Welt bei der Digitalisierung Nachholbedarf. Mit der Ausschöpfung der digitalen Möglichkeiten könnten vor allem staatliche Krankenkassen die Therapietreue von Patienten verbessern.

Sitzung 3 („Bavarian Healthcare: Centers of Excellence and Expertise”) wurde von Dr. Andreas Keck (SYTE Institute und KECK Medical GmbH) moderiert. Prof. Dr. med Volker Bühren (Direktor, BG Unfallklinik Murnau) gab einen Überblick über Traumata und Polytraumata in Deutschland. Während die Zahl der Unfälle im Verkehr und bei der Arbeit zurückgingen, gebe es immer mehr Sportunfälle und Unfälle älterer Menschen. Prof. Dr. Rigdon Lentz (Praxis Lentz) wies in seinem Vortrag darauf hin, dass trotz enormer Investitionen in die Krebsforschung, 41 Prozent der Menschen an Krebs erkranken und 21 Prozent daran sterben. Der Mediziner sprach sich in diesem Zusammenhang für eine stärkere immunologische Krebsbehandlung aus.

Andreas Ludowig (Geschäftsführer, Schön Klinik Prien am Chiemsee) stellte sein Unternehmen vor. Die Schön Klinik ist an 17 Standorten in Bayern, Schleswig-Holstein, Hessen und Hamburg vertreten und beschäftigt 9.400 Mitarbeiter. Schwerpunkte sind die Orthopädie, die Neurologie und die Psychosomatik. Auch Dr. med Ulrich Mauerer (Vorstandsvorsitzender, Medical Park AG) präsentierte sein Unternehmen. Im Konzern werden zwölf Kliniken und zwei ambulante Gesundheitszentren betrieben. Die meisten sind in Bayern stationiert. Doch gibt es auch Medical Parks in Frankfurt am Main und in Berlin. Folgende Fachgebiete bilden den Schwerpunkt: Neurologie, Orthopädie, Traumatologie, Sportmedizin, innere Medizin, Kardiologie und psychosomatische Störungen.

Sitzung 4 („Medical Education: Cross-Border Partnerships”) wurde von Jad Ayoub (Business Director, Bioscientia GmbH) moderiert. Dr. med. Joachim Seybold (stellvertretender ärztlicher Direktor an der Charité in Berlin) stellte das „Medical Specialist Training“ der Charité vor. In diesem Rahmen absolvieren junge Ärzte aus Saudi-Arabien eine Facharztausbildung in Berlin. Prof. Ahmad Tamimi (Professor für Neurochirurgie, Jordan University Hospital) skizzierte die medizinische Ausbildung in Jordanien. Er wies darauf hin, dass sein Land einen entwickelten Gesundheitssektor hat. Pro 10.000 Einwohner habe Jordanien mehr Ärzte als beispielsweise die USA.

Galina Manthei  (stellvertretende Abteilungsleiterin im Bundesministerium für Gesundheit) stellte das deutsche System der Facharztausbildung vor. Insbesondere ging sie auf die Voraussetzungen ein, die ausländische Studierende in Deutschland erfüllen müssen. Dr. Abdullah Almojel (President and Managing Director, Global Dimension/Almojel Holding, Saudi-Arabien) betonte die große Bedeutung des Wissensaustausches über die Landesgrenzen hinweg. Eine wichtige Voraussetzung der fachlichen Ausbildung sei das Erlernen der jeweiligen Landessprache. Nur wer die Sprache erlerne, könne die Kultur eines Landes verstehen.

Sitzung 5 („Healthcare Facilities: Planning, Building and Managing Medical Projects”) wurde von Dr. Anwar Obeidat (CEO, Madina International Co. Ltd, Jordanien) moderiert. Dr. Waleed Khalifa Al Manea (Assistant Undersecretary for Hospital Affairs im Ministry of Health, Bahrain) skizzierte das Gesundheitssystem des kleinen Inselstaates Bahrain. Laut Al Manea verfügt das Land im Vergleich der GCC-Staaten über einen gut ausgebauten Gesundheitssektor. Der Staat garantiere die medizinische Versorgung, es gebe aber auch eine Reihe privater Krankenhäuser.

Baris Tasar (Geschäftsführer, trAIDe GmbH) unterstützt Unternehmen bei der internationalen Geschäftsanbahnung und Markterschließung. So organisiert trAIDe im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums eine Geschäftsanbahnungsreise in die VAE (30. Mai bis 2. Juni 2016). Der branchenspezifische Fokus liegt auf der Medizintechnik und Krankenhausplanung.

Laut Khaldoun Abu Hassan (Chairman of the Jordan-German Business Council) verfügt Jordanien über eines der besten Gesundheitssysteme in der Region. Der Sektor wachse schnell. Wegen der guten Behandlungsqualität und der günstigen Preise sei das Land eine beliebte Destination für Medizintouristen aus der Region. Jedes Jahr ließen sich etwa 250.000 Patienten aus den Nachbarländern in Jordanien behandeln.

Nach Angaben von Raza Siddiqui (CEO, Arabian Healthcare Group LLC, VAE) haben die VAE in den vergangenen Jahren massiv in den Gesundheitssektor investiert. Ziel sei es, eine bedeutende Destination für Medizintouristen zu werden. Außerdem stellte Raza Siddiqui das Ras Al Khaimah Hospital vor, das von der Sonnenhof Swiss Health Ltd. und  der Arabian Healthcare Group betrieben wird. Es gilt als eines der besten Krankenhäuser in den VAE. Dr. Gamal Moustafa Saied (Professor für Chirurgie, Cairo University) referierte über das Thema „Microbial Pattern and Antimicrobial Resistance in Cairo University Hospitals”.

Sitzung 6 („Rising Healthcare Demand: Best-Practice Examples of Arab-German Cooperation”) wurde von Klaus Frölich (Director Sales Export, Otto Bock Health-Care GmbH) moderiert. Dr. Abdulrahman H. Alhumedhi (Kulturattaché in der saudischen Botschaft in Berlin) referierte über die Ausbildung saudischer Ärzte. Neben den englischsprachigen Ländern sei Deutschland der wichtigste Ausbildungsstandort, weil das Land über eine lange Tradition medizinischer Exzellenz und einige der weltbesten Universitäts-Krankenhäuser verfüge. Auch habe Deutschland eine starke internationale Stellung in der Medizintechnik und in der Pharmaindustrie.

Laut Prof. Dr. med. Claude Krier (Berater, Klinikum Stuttgart, internationale Abteilung) verändert sich die arabisch-deutsche Zusammenarbeit im Gesundheitswesen. Während früher Deutschland in erster Linie Medizintouristen aus der arabischen Welt aufgenommen habe, entwickle sich jetzt eine partnerschaftliche Beziehung, was die Themen Wissensaustausch, Aus- und Weiterbildung sowie E-Health einschließe.

Wie Dr. Nasri Khoury (Director, Palestine Hospital, Jordanien) erklärte, ist die medizinische Versorgung in Jordanien bereits sehr gut. So gebe es im Land mehr als 100 private und staatliche Krankenhäuser. Der Sektor weise aber weiter – unter anderem wegen der zunehmenden Zahl an Medizintouristen und des Bevölkerungswachstums – großes Wachstumspotenzial auf.

Nach Einschätzung von Dr. Naifah Hamoudah Alshalan (Facharzt für plastische Chirurgie, Mitglied des medizinischen Dienstes der saudischen Botschaft in Berlin) wird der Gesundheitssektor in Saudi-Arabien weiter massiv wachsen. Dies gelte auch für private Anbieter. Denn die Regierung verfolge das größte Privatisierungsprogramm in der Region. Für die Zusammenarbeit mit Partnern aus den entwickelten Ländern wie Deutschland eröffne dies wachsende Möglichkeiten in allen Bereichen des Gesundheitswesens.

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