Nach einer Rekordinvestition von 2,4 Milliarden EURO im vergangenen Jahr will die Eu-ropäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) auch im Jahr 2025 substanzi-elle Investitionsvorhaben im südlichen und östlichen Mittelmeerraum (SEMED) massiv fördern. Auch das neue Mitglied Irak profitiert.

Auf der 34. Jahrestagung Mitte Mai in London benannte Odile Renaud-Basso, die französische Präsidentin der EBRD, die künftigen Prioritäten für Förderprojekte in der MENA-Region: Grüner Wandel, Governance, Entwicklung des Humankapitals, digitale Entwicklung und verstärkte Mobilisierung von privatem Kapital.

Die EBRD hatte 2024 für Ägypten, Jordanien, Libanon, Marokko, Tunesien und Westjordanland/Gaza Rekordinvestitionen in Höhe von 2,4 Milliarden EURO vermeldet.

Für 2025 erwartet die EBRD in den SEMED-Ländern ein Wirtschaftswachstum von 3,7 Prozent. Doch auch in dieser Region bringen Turbulenzen bei den globalen Handelsregeln, regionale Instabilitäten, instabile Lieferketten und mögliche klimabedingte Veränderungen erhebliche Unsicherheiten mit sich. Selbst geplante Entwicklungshilfezusagen seien, wie beispielsweise im Fall USA, keinesfalls sicher.

Führendes Empfängerland der EBRD-Finanzierungen 2024 war erneut Ägypten. Von insgesamt 50 neu geförderten Projekten gingen nahezu 1,5 Milliarden EURO überwiegend an den Privatsektor (Unternehmensbereich, Finanzinstitutionen und Infrastruktur). Die Förderung von erneuerbaren Energien und die Stabilisierung des Energienetzes soll die Transformation zu einer grünen Wirtschaft beschleunigen. Gefördert werden auch Projekte in Wasser- und Abwasserentsorgung.

Jordanien will seine Reformen gemäß der „Vision 2030“ zur ökonomischen Modernisierung zielstrebig fortsetzen. So sollen die Bedingungen zur Attrahierung von ausländischen Direktinvestitionen (FDI) und für PPP (Public Private Partnerships) weiter verbessert werden.

Seit 2012 beträgt das EBRD-Portfolio für Jordanien 2,3 Milliarden EURO, wovon 55 Prozent in Vorhaben des Privatsektor flossen (erneuerbare Energien, Tourismus, Transport und lokale Banken), aber auch in die kommunale Infrastruktur.

Mit 169 Millionen wurden vier Projekte im Privatsektor (inkl. Tourismus) und in der nachhaltigen Infrastruktur finanziert. 46,7 Millionen EURO flossen der Wasserbehörde zum Bau von Kläranlagen und für das Abwassernetz für zweihunderttausend Einwohner in West Irbid zu.Erst jüngst förderte die EBRD mit insgesamt 56,5 Millionen USD ein Projekt zur Elektrizitätsversorgung. Ergänzend wurden 2,2 Millionen zur Projektimplementierung und für „Pro-fessional Training“ gewährt.

Im Libanon hängt das EBRD-Engagement im Wesentlichen von der Überwindung der politischen Paralyse, der Reformfähigkeit und der regionalen und geopolitischen Lage ab. Immerhin: Mit einem speziellen Programm unterstützte die EBRD 91 Projekte für kleine Unternehmen und Start-ups. Ein neues Programm soll libanesische KMU beim grünen Wandel fördern.

In Marokko investierte die EBRD 530 Millionen EURO in zwölf Projekte, 59 Prozent für die grüne Wirtschaft.

Tunesien wurden elf Projekte im Privatsektor mit insgesamt 247 Millionen EURO gefördert. Hervorzuheben ist die Bereitstellung der Finanzmittel für die norwegische „Scatec“ zum Bau und Betrieb von 120-MW-Solaranlagen. Die Bank förderte ferner tunesische KMU im Rahmen eines Programms zur Handelserleichterung bei mehr als 300 Transaktionen.

Im Westjordanland erhielten mehr als 400 kleine Unternehmen Beratungs- und Schulungsleistungen, die zur Hälfte mit Unterstützung von EU-Mitteln erfolgte. Die EBRD unterstützte lokalen Banken schwerpunktmäßig bei Kreditlinien und Handelsfazilitäten.

EBRD-Präsidentin Renaud-Basso kündigte zudem an, dass die Bank schon bald erste Projekte im Irak zeichnen und Beratungen zu Politikreformen aufnehmen werde.

Seit Ende 2023 ist der Irak Mitgliedsland der EBRD und wird nach der Gewährung des Status eines Empfängerlandes die Finanzmöglichkeiten, das technische Expertenwissen und die Beratungsleistungen der Bank nutzen können.

Im Januar 2025 führte die EBRD hierzu Gespräche mit Premierminister Al-Sudani in Bagdad. Im Mittelpunkt künftiger Finanzierungen der EBRD wird die Entwicklung des irakischen Privatsektors stehen. Schlüsselprojekte aus irakischer Sicht sind insbesondere Vorhaben im grünen Energiebereich sowie in der Verkehrsinfrastruktur, sowie die Entwicklung des irakischen Bankensektors.

Es wurde die Einrichtung einer gemeinsamen Arbeitsgruppe erörtert, die sich mit der Priorisierung von irakischen Projekten befassen soll, die die EBRD fördert.

Auf dem Investitions-Forum Mitte Juni in Bagdad wurden mehr als 130 irakische Investitionsvorhaben in den Bereichen Energie, Infrastruktur, Transport und Logistik, Dienstleistun-gen, Digitalwirtschaft und Finanzwirtschaft für internationale Investoren und Multilaterale Entwicklungsbanken sowie Finanzfonds präsentiert.

von:
Wolfgang Gerstmann