SOUQ: Eure Exzellenz, willkommen in Deutschland als neue Botschafterin des Staates Kuwait. Vor kurzem haben Sie Ihre Gäste bei einem Empfang in Berlin mit einigen deutschen Worten begrüßt. Es scheint, dass Sie sich sehr schnell in Ihrem Gastland eingelebt haben.
Ich danke Ihnen. Es ist eine Ehre, den Staat Kuwait in Deutschland zu vertreten. Der herzliche Empfang, den ich erfahren habe, hat es mir leicht gemacht, mich wie zu Hause zu fühlen. Die Sprache ist eine wichtige Brücke zwischen den Kulturen, und ich glaube, dass selbst ein paar Worte in der Landessprache Respekt und Wertschätzung für das Gastland und seine Menschen ausdrücken.
SOUQ: Kuwait hat in Deutschland einen guten Ruf. Man erinnert sich noch daran, dass Kuwait das erste arabische Land war, das eine große Investition in Deutschland tätigte – in Mercedes im Jahr 1974. Wir hoffen, dass sich die Investition gelohnt hat.
Diese historische Investition spiegelte die langfristige Vision Kuwaits und sein Vertrauen in die industrielle Stärke Deutschlands wider. Seitdem hat sich die Partnerschaft nur vertieft. Kürzlich feierten wir ihr 50-jähriges Bestehen mit einem hochrangigen Besuch von S.H. Premierminister Scheich Ahmad Al-Abdullah Al-Sabah in Begleitung mehrerer hochrangiger Beamter in Stuttgart.
SOUQ: Dennoch hat die Kuwait Investment Authority (KIA) vor etwa zwei Jahren einen Teil ihrer Beteiligung verkauft und hält jetzt nur noch knapp fünf Prozent. Bedeutet das, dass sich der Investor Kuwait aus Deutschland zurückzieht?
Ganz und gar nicht. Kuwait betrachtet Deutschland als einen vertrauenswürdigen und wertvollen Partner. Die KIA passt ihr Portfolio auf der Grundlage globaler Finanzstrategien an, aber Deutschland ist weiterhin ein wichtiges Ziel für kuwaitische Investitionen. Die Beziehung ist langfristig angelegt und passt sich den sich entwickelnden Möglichkeiten an.
SOUQ: Wie ist der kuwaitische Blick auf Deutschland heute? Welche Veränderungen nehmen Sie wahr? Was erwarten Sie von Deutschland? Was erhoffen Sie sich von Deutschland?
Kuwait hat großen Respekt vor der Führungsrolle Deutschlands, seiner technologischen Innovation und seinem Engagement für den Multilateralismus. Wir schätzen Deutschlands Rolle in regionalen und globalen Angelegenheiten und hoffen auf eine weitere Vertiefung der Zusammenarbeit in Bereichen wie Energiewende, digitale Transformation und akademischer Austausch.
SOUQ: Und andersherum: Kuwait zieht ausländische Direktinvestitionen aus Deutschland an. Welche Branchen sind für ausländische Direktinvestitionen aus Deutschland interessant?
Deutsches Fachwissen ist besonders in Bereichen wie erneuerbare Energien, Wasserwirtschaft, Gesundheitswesen, Logistik und Spitzentechnologie willkommen. Wachsendes Interesse besteht auch an intelligenter Infrastruktur und nachhaltiger Stadtentwicklung.
SOUQ: Welche Anreize können deutsche Unternehmen und Dienstleistungsanbieter erwarten?
Kuwait bietet ein stabiles und investorenfreundliches Umfeld, das unter anderem regulatorische Reformen, Steuervorteile und 100 Prozent ausländisches Eigentum in bestimmten Sektoren umfasst. Unsere Institutionen unterstützen aktiv Partnerschaften, die Technologie, Wissen und Beschäftigungsmöglichkeiten nach Kuwait bringen.
SOUQ: Kuwait ist traditionell ein Land, dessen Reichtum auf dem Öl beruht. In letzter Zeit ist der Erdölsektor in Kuwait geschrumpft. Ohnehin ist der globale Ölmarkt sehr unbeständig. Die Regierung hat seit geraumer Zeit die Diversifizierung der Wirtschaft als Planungsziel. Was unternimmt die Regierung, um dieses Ziel umzusetzen?
Die wirtschaftliche Diversifizierung ist ein strategischer Pfeiler der Vision 2035 für Kuwait. Die Regierung treibt die Entwicklung der Infrastruktur, rechtliche und wirtschaftliche Reformen, die Unterstützung von KMU und Großprojekte voran, die die Abhängigkeit vom Öl verringern und gleichzeitig neue Möglichkeiten in Sektoren wie Finanzen, Logistik, Tourismus und Innovation schaffen.
SOUQ: Kuwait will und wird ein Energieland bleiben. Was sind die Pläne für den Öl- und Gassektor? Welche Rolle spielen die erneuerbaren Energien Solar und Wind?
Kuwait ist bestrebt, ein zuverlässiger Energieerzeuger zu bleiben und gleichzeitig die Energiewende voranzutreiben, indem es erheblich in Solar- und Windenergie investiert. Das nationale Ziel für erneuerbare Energien spiegelt die ernsthafte Absicht wider, Tradition und Wandel in Einklang zu bringen.
SOUQ: Wie sehen Sie die Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen und Institutionen in diesem Bereich?
Deutschland ist weltweit führend im Bereich der erneuerbaren Technologien, und der Staat Kuwait begrüßt eine engere Zusammenarbeit mit deutschen Unternehmen, Forschungseinrichtungen und Innovationszentren. Es gibt einen historischen Präzedenzfall, und wir sehen ein großes Potenzial für den Ausbau dieser Partnerschaften bei der Umsetzung unserer nationalen Strategie.
SOUQ: Was unternimmt die Regierung noch, um die Diversifizierung umzusetzen?
Es geht darum, Kuwait in ein dynamisches wirtschaftliches und logistisches Zentrum mit diversifizierten Einkommensquellen und wissensbasierten Industrien zu verwandeln. Zu den wichtigsten Prioritäten gehören die Verbesserung der Regierungsführung, die Modernisierung der Infrastruktur und die Förderung der regionalen wirtschaftlichen Integration.
SOUQ: Von besonderer Bedeutung für deutsche Investoren und Zulieferer könnte das im vergangenen Jahr gegründete Kuwait National Space Research Centre sein. Welche Ziele verfolgt Kuwait im Bereich der Raumfahrttechnologien?
Das nationale Weltraumforschungszentrum von Kuwait spiegelt unser Engagement für Innovation und strategische Technologien wider. Zu unseren Schwerpunkten gehören Satellitenforschung, Klimaüberwachung und
Telekommunikationsanwendungen. Wir sehen ein großes Potenzial für die Zusammenarbeit mit Deutschland, insbesondere in den Bereichen Luft- und Raumfahrt und fortschrittliche Fertigung.
SOUQ: Welche Rolle spielen strategische Allianzen mit internationalen Betreibern und Herstellern?
Strategische Allianzen sind für die Entwicklungsziele Kuwaits unerlässlich. Sie ermöglichen den Technologietransfer, unterstützen den Aufbau von Kapazitäten und beschleunigen die Diversifizierung unserer Wirtschaft. Die Zusammenarbeit mit führenden internationalen Betreibern und Herstellern stellt sicher, dass wir von globalem Fachwissen profitieren und gleichzeitig langfristige Werte vor Ort schaffen.
SOUQ: Eine der geplanten Hauptattraktionen des Projekts ist der Burj Mubarak Al mit einer Höhe von 1.001 m (3.284 Fuß). Das ist ein ziemlich ehrgeiziges Projekt. Wie ist der aktuelle Stand?
Der Burj Mubarak Al Kabir befindet sich noch in der Entwurfsphase, der Baubeginn steht noch aus. Dieses ehrgeizige Projekt ist als Kernstück der kuwaitischen Initiative Madinat Al- Hareer (Seidenstadt) im Rahmen der Vision 2035 geplant.
SOUQ: Es scheint, dass Zentralasien und Asien eine besondere Rolle in den Planungen Kuwaits spielen. Außerdem haben Kuwait und China ein Abkommen über die Zusammenarbeit bei der Entwicklung der Seidenstadt und ihres Wirtschaftsgürtels unterzeichnet.
Kuwait schätzt seine Beziehungen zu China. Gleichzeitig pflegt Kuwait eine ausgewogene Außenpolitik und sieht Partnerschaften mit Europa, einschließlich Deutschland, als ebenso wichtig für seine langfristige Entwicklung an.
SOUQ: China wird zu einem immer wichtigeren Akteur in der Region. Wird China in absehbarer Zeit die Rolle übernehmen, die der Westen und vor allem Europa in der Vergangenheit innehatten?
Wir betrachten die globalen Beziehungen nicht als Ersatz, sondern als Diversifizierung und Komplementarität. Sowohl der Westen als auch China haben eine wichtige Rolle zu spielen. Kuwait ist bestrebt, pragmatische, für beide Seiten vorteilhafte Partnerschaften in allen Bereichen aufzubauen und gleichzeitig seine strategische Autonomie zu wahren.
SOUQ: Die allgemeine Sicherheitslage im Nahen Osten ist von besonderer Bedeutung – nicht nur für Kuwait, sondern auch für den Welthandel. Hat die deutsche Regierung genug getan, um zur Sicherheit in der Region beizutragen? Wenn nicht, was erwarten Sie von Deutschland und der EU?
Deutschland spielt eine konstruktive Rolle durch Diplomatie, humanitäre Hilfe und Dialoginitiativen. Wir sind der Ansicht, dass es Spielraum für ein stärkeres Engagement gibt, insbesondere durch die EU, um regionale Stabilität, Deeskalation und langfristige friedensschaffende Maßnahmen zu unterstützen.
SOUQ: Erlauben Sie mir bitte, einige persönliche Fragen zu stellen. In Deutschland ist man sich besonders bewusst, dass ein muslimisches Land wie Kuwait, das allgemein als sehr konservativ gilt, eine Frau als Diplomatin nach Deutschland schickt. Noch dazu eine Frau, die ihr kurzes Haar nicht unter einem Schleier versteckt. Sind Sie eine Ausnahme im diplomatischen Dienst des Staates Kuwait?
Kuwait ist stolz auf seine Fortschritte bei der Förderung von Frauen in allen Bereichen, einschließlich der Diplomatie. Ich sehe mich nicht als Ausnahme, aber das spiegelt Kuwaits Identität und Engagement für Chancengleichheit auf der Grundlage von Verdienst und Leistung wider.
SOUQ: Sie stehen seit 1991 im Dienst Ihrer Regierung und haben hohe politische Ämter bekleidet. Sie sind mit dem Arab Woman Award – Government Award ausgezeichnet worden. Was würden Sie aus Ihrer persönlichen Erfahrung heraus talentierten Frauen in Kuwait empfehlen?
Ganz und gar nicht. Kuwaitische Frauen haben sich in allen Bereichen bewährt, auch in der Politik, der Diplomatie und im öffentlichen Dienst. Wir haben Frauen im Parlament, in der Justiz, in Ministerämtern und in hochrangigen diplomatischen Positionen. Ihre Anwesenheit ist nicht mehr die Ausnahme, sondern Teil der Norm. Der Weg in die Zukunft ist klar, und die Chancen stehen allen offen, je nach Leistung und Engagement.
SOUQ: Was sind Ihre persönlichen Pläne für Ihre Zeit als Botschafterin in Deutschland? Haben Sie einen persönlichen Schwerpunkt?
Ich hoffe, dass wir die bilaterale Zusammenarbeit an vielen Fronten vertiefen können – insbesondere in den Bereichen Wirtschaft, Kultur, Bildung und Innovation. Ich freue mich auch darauf, die zwischenmenschlichen Beziehungen zu stärken und das gegenseitige Verständnis zwischen unseren Gesellschaften zu verbessern. Die Kulturdiplomatie ist ein Bereich, den ich persönlich sehr schätze.
SOUQ: Ihre Exzellenz, wir danken Ihnen für das Gespräch.