Über die Bedeutung von KI-gestütztem, adaptiven Lernen in der Aus- und Weiterbildung saudischer Staatsangehöriger

Die Digitalisierung wirkt sich auf die gesamte Arbeitswelt aus und macht Arbeiten und Lernen im 21. Jahrhundert untrennbar: New Work braucht auch New Learning. Die „Vision 2030“ des Königreichs Saudi-Arabien sieht vor, dass private Unternehmen saudische Staatsangehörige möglichst schnell in ein Beschäftigungsverhältnis eingliedern. Dies erfordert ein Umdenken in der Aus- und Weiterbildung, denn mit einem Durchschnittsalter von unter 35 Jahren verfügt die Erwerbsbevölkerung über ein hohes Potenzial an jungen Arbeitskräften. Ihre umfassende Eingliederung und Ausbildung benötigt jedoch eine enorme Agilität.

Damit Mitarbeiter optimal und zügig auf die Arbeitswelt von morgen vorbereitet werden können, bedarf es eines Lernansatzes, der die Kompetenzen jedes Einzelnen berücksichtigt und zugleich intelligente Daten zur Skalierung nutzt. Saudische Unternehmen müssen deshalb verstärkt in neue Aus- und Fortbildungsstrategien für ihre Mitarbeiter investieren, wenn sie im Wettbewerb bestehen und Wettbewerbsvorteile ausbauen wollen.

Die Mitarbeiter müssen spezielle Fähigkeiten beherrschen, um die Arbeitswelt in einer sich schnell verändernden, digitalen Gesellschaft erfolgreich meistern zu können. Anstelle von reinem Fachwissen treten Fähigkeiten wie analytisches Denken, komplexes Problemlösen und Teamarbeit in den Vordergrund. Dieser Wandel von den traditionellen Fähigkeiten hin zum „21st Century Learner“ stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Berufliche Entwicklung und Bildung erfordern heutzutage eine verbesserte Effizienz und größere Effektivität in den Lernprozessen.

Mitarbeiter wie früher einfach mit umfangreichen Schulungsinhalten zu konfrontieren, kann den Bedarf an langfristiger Bildung heute nicht mehr erfüllen. Mittlerweile sind fortgeschrittene, so genannte adaptive Lernplattformen eine bewährte Lösung, um den aktuellen Schulungsbedarf zu decken. Sie nutzen die Leistung der künstlichen Intelligenz (KI), um einen hochgradig personalisierten Ansatz für Lernende zu bieten. Adaptives Lernen berücksichtigt den Kenntnisstand und die Erfahrung jedes Einzelnen. Dieses Lernen, das auf das jeweilige Individuum zugeschnitten ist, gestaltet den Lernvorgang ansprechender, verständlicher und relevanter.

Unbewusste Inkompetenz aufdecken und beheben

Darüber hinaus hilft adaptives Lernen, ein weit verbreitetes und potenziell gefährliches Problem aufzudecken: „unbewusste Inkompetenz“, die selbst bei hochqualifizierten Mitarbeitern auftreten kann. Unbewusste Inkompetenz liegt vor, wenn Menschen glauben, etwas zu wissen, es aber in Wirklichkeit nicht wissen. Es handelt sich um ein weit verbreitetes Phänomen: Daten aus verschiedenen Branchen zeigen, dass Menschen in 20 bis 40 Prozent der für ihre Leistung entscheidenden Bereiche unbewusst inkompetent sind. Unbewusste Inkompetenz kann zu ernsthaften Problemen für Organisationen führen, einschließlich Kundenunzufriedenheit und Sicherheitsproblemen.

Wissen ist nach wie vor eine wichtige Komponente des Lernens, aber nicht der einzige Aspekt. Charles Fadel, Gründer des „Center for Curriculum Redesign“, hat Bildung und Lernen anhand von vier Dimensionen beschrieben: Wissen, Fähigkeiten, Charakter und Meta-Lernen. Die Herausforderung in der traditionellen Bildung besteht darin, den Lernenden ein ausreichendes Basiswissen zu vermitteln, damit sie weiter lernen und neues Wissen anwenden können, wenn sie mit anderen interagieren. Lern- und Entwicklungsexperten in Unternehmen stehen vor der Frage, wie sie ihre Mitarbeiter in bestimmten Bereichen am besten ausbilden können. Das Ziel der neuen Lernmethoden besteht darin, einen Lernprozess zu etablieren, damit ein Automatismus erreicht wird; das heißt, den Erwerb von Wissen und Fähigkeiten so weit zu vertiefen, dass sie gleichsam zur zweiten Natur werden. Adaptives Lernen bietet den optimalen Weg, einen effektiven und effizienten Wissenserwerb zu erreichen und Mitarbeitern die nötige Zeit zu geben, damit sie nicht nur das Wissen vervollständigen und beherrschen, sondern darüber hinaus auch die Fähigkeiten und Charaktereigenschaften entwickeln, die sie für erfolgreiches Arbeiten benötigen.

Adaptives Lernen – ein hochgradig personalisierter Ansatz

Viele Unternehmen setzen in bestimmten Bereichen von Unternehmensschulungen auf statisches E-Learning, um die Kosten für die Durchführung von Compliance-, Sicherheits- und anderen Trainings gering zu halten. Solche Schulungen zielen hauptsächlich darauf ab, sicherzustellen, dass Mitarbeiter sich für die erforderlichen Schulungen anmelden und diese auch abschließen.

Adaptives Lernen nutzt im Vergleich zum traditionellen Lernen die Möglichkeiten der künstlichen Intelligenz – sowohl im Bereich der qualitativ hochwertigen Inhaltserstellung als auch der Durchführung von Schulungen mit einem zunehmend personalisierten Ansatz. Fortschrittliche adaptive Lernlösungen konzentrieren sich ausschließlich auf das, was der jeweilige Lernende noch nicht weiß. Dabei wird der aktuelle Wissensstand zu Beginn einer Schulung mittels Abfragen sondiert, um Wissenslücken aufzudecken und durch gezielte Wissensvermittlung zu schließen.

Computergestütztes adaptives Lernen ermöglicht einen einfachen Zugang zu Schulungen und bietet jedem Lernenden genau die Unterstützung, die er benötigt, um sich neues Wissen anzueignen. Darüber hinaus ermöglicht es Lernenden das Wiederholen von Inhalten, ehe diese vergessen werden.

Saudische Gesundheitsbranche auf dem Vormarsch im Bereich des adaptiven Lernens

Die „Saudi Commission for Health Specialities“ und die „Health Academy“ setzen sich bereits aktiv für die Verwirklichung der Vision einer landesweiten Umgestaltung des Gesundheitswesens ein und nutzen dabei adaptives Lernen für die Aus- und Weiterbildung des Gesundheitspersonals im Rahmen des „Health Transformation Program“.

Die „Health Academy“ wurde als Teil der „Saudi Commission for Health Specialities“ gegründet, um die Ziele der „Vision 2030“ und der „Health Transformation Program-Initiative“ zu erreichen, die darauf abzielen, die Qualität der Gesundheitsversorgung im Königreich durch verschiedene Programme im lokalen Gesundheitssektor zu verbessern.

Das Tempo des digitalen Wandels beschleunigt sich immer mehr. Dadurch steigt die Gefahr, dass Arbeitnehmer den Anschluss verlieren und schließlich abgehängt werden. Durch den Einsatz von neuesten technologischen Werkzeugen fortschrittlicher adaptiver Lernplattformen entsteht eine „Learning & Development“-Umgebung, die die Effizienz und die Effektivität des Lernens erheblich verbessern und so die „Vision 2030“ des Königreichs Saudi-Arabien maßgeblich mitgestalten kann.

von:

Dr. Claus W. Biermann, MD MPH
ist Sprecher der Arbeitsgruppe Healthcare der Ghorfa Arab-German Chamber of Commerce and Industry e.V. und der German Health Alliance GHA.
Zudem ist er Chief Medical Advisor Healthcare Education Area9 Lyceum