Seitdem ich von meiner Ernennung zum Botschafter meines Landes in der Bundesrepublik Deutschland erfuhr und dieses wichtige Amt übernahm – nach der Übergabe meines Beglaubigungsschreibens an den Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier im September 2021 –, verspürte ich stets die Größe und Bedeutung der mir übertragenen Verantwortung. Denn dieses Amt verlangt von mir, eine der wichtigsten außenpolitischen Beziehungen des Irak mit einem Schlüsselstaat wie Deutschland zu führen – einem Land, das von der großen Mehrheit der Iraker, wenn nicht gar von allen, als befreundeter Staat angesehen wird, der über kreative Lösungen für schwierige Probleme verfügt, unter denen der Irak lange gelitten hat – allen voran die Stromerzeugung. Es ist daher logisch und nachvollziehbar, dass ich diesen Druck verspürte, da ich zumindest teilweise verantwortlich sein würde, zur Verwirklichung dieses Ziels beizutragen. Darüber hinaus bemühte ich mich stets darum, die bilaterale Zusammenarbeit so weit wie möglich zu fördern und zu stärken, um vorrangige Interessen zu realisieren, die beiden Völkern zugutekommen und somit auch den Beziehungen beider Länder.
Dennoch lässt sich nicht leugnen, dass beide Staaten bereits über ein gutes Maß an Zusammenarbeit verfügen und dass sich beide der Bedeutung des jeweils anderen in seiner geopolitischen Lage bewusst sind. Deutschland war beispielsweise das erste Ziel der Europareise von Premierminister Mohammed Shia’ al-Sudani – seiner allerersten Reise nach Europa überhaupt –, was die Bedeutung der Beziehungen zu Deutschland unterstreicht, das als einer der maßgeblichen Staaten auf europäischer wie internationaler Ebene gilt.
Dieser Besuch trug wesentlich dazu bei, die Hauptlinien für die zukünftige bilaterale Zusammenarbeit zwischen Deutschland und dem Irak festzulegen. Für uns war er eine Art „Roadmap“ zur Vertiefung der Zusammenarbeit in wichtigen Bereichen wie Energie, Technologietransfer, Bekämpfung der negativen Auswirkungen des Klimawandels, Stärkung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern sowie der Unterstützung des Irak bei wirtschaftlichen und finanziellen Reformen. Zudem hat uns das deutsche Volk über die Geschichte hinweg viele erfolgreiche Erfahrungen und Lehren vermittelt – etwa im Zusammenhalt, in der Solidarität und im Nicht-Aufgeben in schwierigen Zeiten. All das verdient Respekt und Anerkennung, denn das deutsche Volk ist fleißig und kämpferisch in seinem Streben nach Wohlstand und Fortschritt. Diese Erfahrungen verdienen es, studiert, verstanden und im Irak angesehen zu werden.
Selbstverständlich wissen wir, die im diplomatischen Dienst und in den internationalen Beziehungen tätigen, sehr gut, dass Veränderungen und Überraschungen zum Wesen der internationalen Umwelt gehören. Diese Veränderungen können mitunter zur Förderung von Sicherheit und Stabilität beitragen und uns, als Vertreter unserer Länder, dabei helfen, Kooperation und gemeinsame Interessen zu stärken. Oder sie können die Entwicklung dieser Beziehungen verlangsamen – abhängig von den Entscheidungen der Staaten.
In den letzten vier Jahren meiner Tätigkeit als irakischer Botschafter in Deutschland ereigneten sich bedeutende internationale Entwicklungen mit weitreichenden politischen und sicherheitspolitischen Folgen. Zu nennen sind insbesondere der russische Krieg gegen die Ukraine, der israelische Krieg in Palästina sowie jüngst die Eskalation mit der Islamischen Republik Iran. Diese Ereignisse stellten zweifelsohne die internationale Ordnung insgesamt auf die Probe und setzten die Staaten – vor allem jene in geografischer Nähe zu diesen Brennpunkten wie den Irak und Deutschland – unter erheblichen Druck. Sie zwangen viele dazu, ihre Prioritäten neu zu ordnen. Das machte meine Aufgabe als Botschafter in Berlin in diesen Zeiten zu einer außergewöhnlichen Herausforderung, zumal der Irak weit mehr ist als das oft verbreitete Narrativ über ihn in Deutschland. Er ist ein wunderbares Land mit großer gesellschaftlicher, kultureller und historischer Vielfalt, das entschlossen daran arbeitet, seine junge Demokratie aufzubauen. Trotz aller Widrigkeiten beharrt der Irak auf seinem Weg des Wiederaufbaus und der Standhaftigkeit. Er setzt sich kontinuierlich für Deeskalation, Mediation, Kooperation und Initiativen zur Erweiterung gemeinsamer Interessen zwischen den Staaten ein – als Weg zur Überwindung regionaler Spannungen und Differenzen. Dies gründet auf dem Glauben, dass zwischenstaatliche Beziehungen auf gemeinsamen humanitären Werten basieren sollten. Der Irak teilt mit Deutschland die Überzeugung von der Wichtigkeit internationaler Regeln und Gesetze zur Wahrung von Frieden, Stabilität und Gerechtigkeit unter den Nationen. Er unterstützt alle Initiativen, Dialoge und diplomatischen Bemühungen, die auf die Verhinderung von Kriegen und Konflikten sowie die Schaffung eines nachhaltigen und konstruktiven Friedens zwischen den Völkern abzielen.
Ich verberge nicht, dass ich gehofft hatte, in vielen Bereichen noch mehr Kooperation mit Deutschland zu erreichen – insbesondere was die stärkere Präsenz der deutschen Wirtschaft im irakischen Markt betrifft. Dieser Markt ist angesichts der Herausforderungen in unseren Regionen ein zunehmend ambitioniertes Ziel geworden. Doch der Irak befindet sich in einer Phase der Neuausrichtung und ist fest entschlossen, seine Sicherheit und Stabilität durch eine Reihe von Reformprogrammen zu stärken, die ihn zu einem vielversprechenden und attraktiven Standort für ausländische Investitionen machen sollen. Der Irak verfügt über enorme Ressourcen und Potenziale, die es ihm ermöglichen, eine große wirtschaftliche und entwicklungspolitische Renaissance zu verwirklichen – flankiert von politischen und wirtschaftlichen Programmen, die seine Sicherheit und Stabilität durch eine konstruktive Außenpolitik fördern. Diese basiert auf dem Respekt der Souveränität anderer Staaten, der Einhaltung der Grundsätze der UN-Charta und des Völkerrechts sowie auf dem ständigen Ruf nach Diplomatie und Dialog – denn sie sind der einzige Weg zu Frieden und Wohlstand.
Zum Schluss möchte ich meine tiefe Dankbarkeit gegenüber dem deutschen Staat und seinem großzügigen Volk für die mir entgegengebrachte Vertrauen und Aufmerksamkeit ausdrücken. Ich möchte das Maß an Kooperation hervorheben, das wir gemeinsam in manchen Bereichen erreicht haben, und das zu positiven Ergebnissen geführt hat, die – so hoffen wir – zur Stärkung der bilateralen Beziehungen beitragen. Wir sind überzeugt, dass diese Beziehungen weiterer Anstrengungen und Zusammenarbeit bedürfen, um das angestrebte Niveau zu erreichen. Es bestehen zahlreiche Chancen und Felder für gemeinsame Kooperation, die von beiden Seiten vorangebracht werden können. Ich hoffe, dass sich die positiven politischen Absichtserklärungen verstärkt in konkretes Handeln übersetzen – mit greifbaren Ergebnissen vor Ort. Der Irak braucht seine Freunde an seiner Seite, während er seinen Weg zur Festigung von Sicherheit, Stabilität, Entwicklung und Demokratie weitergeht.
Abschließend wünsche ich Deutschland – Regierung und Volk – weiterhin Fortschritt und Wohlstand. Wir hoffen, dass sich die Stimmen und Bemühungen mehren, die für Frieden in Europa eintreten, Eskalation vermeiden und ausschließlich die Sprache des Dialogs einsetzen. Möge Deutschland ein leuchtendes Beispiel für eine Diplomatie sein, die zu Frieden führt.
Von Botschafter Lukman Al-Faily