Nach Jahren der Stagnation und der Ungewissheit darüber, wohin sich die Zusammenabeit entwickeln könnte, erleben die Beziehungen zwischen der Europäischen Union (EU) und den Staaten des Golfkooperationsrates (GCC) derzeit einen deutlichen Aufschwung. Ausgehend von der wachsenden und inzwischen weit verbreiteten Erkenntnis innerhalb der EU und ihrer Mitgliedstaaten, dass die Golfregion und insbesondere die GCC-Staaten zu einer Region von strategischer Bedeutung geworden sind, die nicht länger ignoriert werden kann, wurden in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Beziehungen auf eine höhere, substanziellere Ebene zu heben. Insgesamt ist dies als positive Entwicklung zu werten, wenngleich darauf zu achten ist, dass die jetzt zu beobachtende Dynamik auch zu weiteren konkreten politischen Maßnahmen führen sollte, um zu vermeiden, dass die Beziehungen erneut von Enttäuschungen aufgrund unerfüllter Erwartungen geprägt werden.

Wachsende Zusammenabeit

Der Auslöser für den derzeitigen Ausbau der Beziehungen war die Veröffentlichung der Gemeinsamen Mitteilung der EU über eine strategische Partnerschaft mit der Golfregion im Mai 2022, in der die EU die Ansicht vertrat, dass „die Golfregion eine dynamische Nachbarregion und ein wichtiges Tor zwischen Europa, Asien und Afrika ist“ und dass „die Sicherheits- und Stabilitätslage in der Golfregion direkte Auswirkungen auf die EU hat“. Angesichts von Herausforderungen wie des russischen Einmasch in die Ukraine, den Folgen der COVID-19-Pandemie sowie der Notwendigkeit des digitalen und grünen Wandels kommt das Dokument zu dem Schluss, dass „die Europäische Union von einer stärkeren und strategischeren Partnerschaft mit dem Golf-Kooperationsrat (GCC) und seinen Mitgliedstaaten sehr profitieren kann.“

Im Juni 2022 wurde die gemeinsame Mitteilung vom EU-Rat förmlich angenommen und wurde damit zur offiziellen politischen Linie der EU gegenüber der Golfregion. Damit steht nun ein breiter Rahmen zur Verfügung, um die EU-Politik in der Region voranzubringen und diese Interessen mit den Prioritäten des Golfkooperationsrates in Einklang zu bringen. Neben den traditionellen Bereichen der Handels- und Investitionsförderung sowie der Energieversorgungssicherheit liegt der Schwerpunkt beispielsweise auf dem Wandel zu erneuerbaren Energien, der Koordinierung auf de Ebene der Entwicklungspolitik und Humanitären Hilfe, Forschung und Innovation, der globalen Gesundheit, der biologischen Vielfalt sowie Logistik- und Verkehrsfragen. Besonderes Augenmerk wird auch darauf gelegt, wie die EU und der GCC zur Deeskalation der Spannungen in der breiteren Region des Nahen Ostens beitragen können, um die Aussichten auf regionale Sicherheit und Stabilität insgesamt zu verbessern.

Dem Beispiel der EU folgend wurden seit 2022 zahlreiche Initiativen in die Wege geleitet. Am wichtigsten ist die Vielzahl der institutionellen Verbindungen, die zwischen den beiden Seiten geschaffen wurden. Angefangen mit dem gemeinsamen EU-GCC-Ministertreffen im Februar 2022, dem ersten nach sechs Jahren Pause, und der Einigung auf einen gemeinsamen EU-GCC-Aktionsplan 2022-2027 ist der Kalender seither mit zahlreichen weiteren Kontaktpunkten gefüllt worden. Dazu gehören ein strukturierter Sicherheitsdialog, der im Januar 2024 in Riad und im April 2025 in Brüssel stattfand, ein hochrangiges Forum der Außenminister, das erstmals im April 2024 in Luxemburg abgehalten wurde, sowie die regelmäßigen gemeinsamen Zusammentreffen zu politischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten. Der wichtigste Durchbruch war das erste Gipfeltreffen zwischen der EU und dem GCC auf Ebene der Staatsoberhäupter, das im Oktober 2024 in Brüssel stattfand. Mit der Vereinbarung, solche Gipfeltreffen alle zwei Jahre abzuhalten, mit dem nächsten Gipfeltreffen 2026 in Riad, haben die EU und der GCC ihren Beziehungen nun den höchsten politischen Stellenwert verliehen. Im Kommuniqué des Gipfeltreffens heißt es: „Die EU und der GCC werden sich für die Förderung multilateraler, regionaler und bilateraler Rahmenbedingungen einsetzen, um die bilaterale und regionale Zusammenarbeit weiter zu stärken.“

Ein weiterer wichtiger institutioneller Schritt auf Seiten der EU war die Schaffung des Postens eines EU-Sonderbeauftragten für die Golfregion (EUSR Gulf) und die Ernennung des ehemaligen stellvertretenden italienischen Ministerpräsidenten und Außenministers Luigi Di Maio zu diesem Posten. Die Position des EUSR Gulf ist in zweierlei Hinsicht von Bedeutung. Erstens gibt sie den Beziehungen einen spezifischen Schwerpunkt, über den eine regelmäßige Kommunikation stattfinden kann. Zweitens ermöglicht er eine bessere Koordinierung zwischen den verschiedenen 27 Mitgliedstaaten der EU und gewährleistet damit eine größere Zusammenkunft bei der Verfolgung gemeinsamer Ziele.

Ein umfassenderer und häufigerer institutioneller Austausch hat bereits zu einer stärkeren Annäherung der Standpunkte zwischen der EU und den GCC-Staaten geführt, z. B. wenn es um kritische politische und sicherheitspolitische Fragen wie die derzeitige Lage in Israel und im Gazastreifen, den derzeitigen Übergang in Syrien oder die allgemeinen Bedrohungen der maritimen Sicherheit in der Region des Roten Meeres geht.

Eine weitere wichtige Entwicklung war die Einrichtung der neuen Generaldirektion für den Nahen Osten, Nordafrika und die Golfregion (DG MENA) in der Europäischen Kommission ab Dezember 2024 und die Ernennung von Dubravka Šuica zur ersten Kommissarin diese Abteilung. Die neue DG MENA wird die verschiedenen Arbeitsbereiche innerhalb der Kommission zusammenführen, um die Partner mit den verfügbaren technischen und finanziellen Instrumenten, die die EU bereitstellen kann, besser zu unterstützen. Die neue DG MENA bietet nicht nur einen Rahmen, in dem die Verbindungen zwischen der EU, dem Nahen Osten und der Golfregion besser aufeinander abgestimmt werden können, sondern liefert auch eine dringend benötigte funktionale Komponente, die bisher in diesem Zusammenhang fehlte.

Für die GCC-Staaten hat dies direkte Auswirkungen auf die Bereiche Handel, Investitionen und Konnektivität. Die seit 2008 auf Eis liegende Gespräche zwischen der EU und dem Golf-Kooperationsrat über ein Freihandelsabkommen haben inzwischen wieder etwas an Fahrt gewonnen mit der Aufnahme von informellen Gesprächen, um den Rahmen für erneute Verhandlungen zu erörtern. Im Kommuniqué des Gipfels vom Oktober 2024 unterstrichen beide Seiten ihre Verpflichtung, „ein regionales GCC-EU-Freihandelsabkommen, einschließlich eines Investitionskapitels, zu erreichen“. Zudem vereinbarten die EU und die VAE im April 2025 die Aufnahme von Verhandlungen über ein bilaterales Freihandelsabkommen, auch in der Hoffnung, dass dies zusätzliche Impulse für Fortschritte auch auf multilateraler Ebene geben könnte. Die EU ist der zweitgrößte Handelspartner des GCC, auf den 2024 11,7 % des gesamten Warenhandels des GCC mit der Welt entfallen, während der GCC der sechstgrößte Handelspartner der EU, das sechstgrößte Exportziel und der zehntgrößte Importeur ist. Der gesamte Warenhandel zwischen der EU und dem GCC belief sich im Jahr 2024 auf 161,7 Mrd. EUR.

Im Bereich Investitionen und Privatsektor wird die Eröffnung der ersten Europäischen Handelskammer in Saudi-Arabien (ECCKSA) im Mai 2024 als Plattform zur Erleichterung der geschäftlichen Zusammenarbeit weiter zur Diversifizierung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und dem GCC beitragen. Die neue Generaldirektion MENA wird auch als potenziell hilfreich bei der Herstellung von Verbindungen zwischen der Global-Gateway-Strategie der EU und Konnektivitätsprojekten wie dem Wirtschaftskorridor Indien-Mittlerer Osten-Europa (IMEC) angesehen.

Das Momentum beibehalten

Trotz aller Schritte, die zwischen der EU und dem GCC unternommen wurden, sollte die Umsetzung der strategischen Partnerschaft nicht als ausgemachte Sache betrachtet werden. Die größte Gefahr besteht darin, dass die derzeitige Dynamik nicht für konkrete politische Maßnahmen genutzt wird, was wiederum schnell zu neuer Selbstgefälligkeit und nachlassendem Interesse führen könnte. Im Moment herrscht ein Déjà-vu-Gefühl, auch da in der Vergangenheit zahlreichen Ankündigungen und Initiativen entweder nicht zustande gekommen sind oder nicht den Erwartungen entsprochen haben.

Einerseits wird die Gesamtkomplexität des regionalen und internationalen – geopolitischen und geoökonomischen – Umfelds, in dem sich die Beziehungen zwischen dem GCC und der EU bewegen, weiterhin eine Herausforderung für die Beziehungen und ihre Fähigkeit darstellen, konkrete Ergebnisse zu erzielen. Für das EU-GCC-Konstrukt bedeutet dies eine gewisse Dichotomie, bei der die wachsende Handlungsfähigkeit des GCC im Gegensatz zu einer EU steht, die versucht, in altbekannten Mustern zu agieren. Während die GCC-Staaten rasche Fortschritte anstreben, kämpft die EU weiterhin mit ihrer langsameren bürokratischen Maschinerie und der Vielzahl anderer Probleme auf dem Kontinent.

Auf der anderen Seite gewinnen an der Wirtschafts- und Investitionsfront transaktionale Ansätze gegenüber strategischeren Konzepten die Oberhand, während Kerninteressen wie Klimawandel und erneuerbare Energien immer noch allzu oft in Streitigkeiten über Menschenrechte und Arbeitsnormen verwickelt sind. Die Ankündigung Katars, möglicherweise wichtige Gaslieferungen nach Europa zu stoppen, wenn die neue EU-Richtlinie über die Sorgfaltspflicht von Unternehmen strikt durchgesetzt wird, ist ein Beispiel in dieser Hinsicht.

Eine schwierigere Herausforderung wird die Überwindung der Hindernisse auf der formalen institutionellen Ebene zwischen der EU-Kommission und dem GCC-Sekretariat sowie zwischen den Regierungsinstitutionen in den einzelnen EU- und GCC-Mitgliedsländern sein, wo ein grundlegender Unterschied in der Art und Weise besteht, wie Entscheidungsfindung und Politikformulierung funktionieren. In diesem Zusammenhang passt der Bottom-up-Ansatz der EU einfach oft nicht zu dem Top-down-Ansatz des Golfstaates. Eine zweite Einschränkung ist der grundlegende Unterschied und die Spannung zwischen dem vorherrschenden Bilateralismus der Beziehungen und dem multilateralen Ansatz der EU und des GCC. Während beide Seiten Multilateralismus predigen, wird dieser in Wirklichkeit nur sehr eingeschänkt praktiziert.

Die strategische Partnerschaft der EU mit dem Golf-Kooperationsrat hat in den letzten Jahren erhebliche Fortschritte gemacht. Positiv zu vermerken ist, dass die EU ihr Zögern, die Beziehungen zu den GCC-Staaten tatsächlich in einer für beide Seiten vorteilhaften Weise zu gestalten, überwunden zu haben scheint, da nun verschiedene Initiativen und Dialoge auf der Tagesordnung stehen, um engere Beziehungen zu fördern und gegenseitige Interessen zu berücksichtigen. Beide Seiten müssen jedoch noch weitere Schritte unternehmen, um die Beziehungen in eine echte Partnerschaft zu verwandeln. Dazu gehören insbesondere die Suche nach einem Mechanismus auf Handelsebene, der bilaterale Abkommen ermöglicht, ohne die Entwicklung hin zum multilateralen Freihandelsabkommen zwischen dem GCC und der EU zu behindern oder zu gefährden; die Einführung einer Visaliberalisierung fü alle GCC Staaten als Mittel zur Stärkung der zwischenmenschlichen Partnerschaften; und die Einordnung der politischen Partnerschaft in den Kontext des Multilateralismus und des Völkerrechts, um den Prozess des Wiederaufbaus des gemeinsamen Nahen Ostens einzuleiten.

von:
Christian Koch, Geschäftsführer, Gulf Research Center Foundation Brüssel