In Deutschland führt die demografische Entwicklung zu einem zunehmenden Bedarf an qualifiziertem Personal. Während die Zahl der Erwerbsfähigen zurückgeht, suchen Unternehmen verstärkt nach Nachwuchs, der frische Ideen einbringt und moderne Technologien vorantreibt. Demgegenüber stehen in der arabischen Welt zahlreiche qualifizierte Hochschulabsolventen, die in ihren Heimatländern mangels Nachfrage oftmals nicht in vollem Umfang eingesetzt werden können. Dieses Ungleichgewicht zwischen Bedarf und Angebot lässt sich durch strategische Bildungs- und Förderprogramme überwinden.
Der Talent-Pool in arabischen Ländern ist bedeutend. So sprechen in etwa 500.000 Ägypter die deutsche Sprache. Außerdem durchlaufen derzeit etwa 70.000 arabische Studierende das deutsche Hochschulsystem. Auf der bilateralen Ebene – etwa zwischen einzelnen Unternehmen, Bildungseinrichtungen wir Hochschulen und Universitäten, gibt es bereits beeindruckende Aktivitäten. Einige wenige davon seien hier kurz aufgezeigt:
Traineeship Program der Misk Foundation
Die Misk Foundation eine gemeinnützige Organisation in Saudi Arabien, die sich der Förderung und Unterstützung von Bildung und Führungsqualitäten bei Jugendlichen widmet.
Dies soll durch die Entwicklung von Programmen und den Aufbau von Partnerschaften mit lokalen und auch internationalen Organisationen und Unternehmen erreicht werden. Das Ziel ist: der Aufbau einer wissensbasierten Gesellschaft, auch gegründet auf internationale Erfahrungen .
Deutsche Firmen können durch die Beteiligung an diesem programm saudische Nachwuchskräfte an sich binden, die nach Ihrer Ausbildung in Deutschland oder in Saudi-Arabien als Fachkräfte eingesetzt werden können, die sich in beiden Kulturen auskennen und zu natürlichen Brückenbildnern werden.
Das Misk-Traineeship Program im Detail:
- Strenges Auswahlverfahren: Nur etwa 2 Prozent der Bewerber werden angenommen, um eine hohe fachliche und interkulturelle Qualität zu gewährleisten.
- Umfassende Reichweite: Seit 2018 wurden mehr als 4.000 Praktikanten in Kooperation mit über 400 Unternehmen in über 60 Ländern vermittelt.
- Vielfältige Programmlaufzeiten: Von 10-wöchigen Auslandspraktika bis hin zu mehrmonatigen Einsätzen, die je nach Bedarf und Branche gestaltet werden können.
- Koordination mit Partnern: Unterkunft, Versicherung und Stipendien werden in enger Abstimmung mit den teilnehmenden Unternehmen organisiert, um den Einstieg für junge Talente zu erleichtern.
Die Arab-German Talent Bridge (AGTB)
Die Arab-German Talent Bridge ist ein Projekt des Deutsch-Syrers Najib Sabbagh aus Essen zur Unterstützung arabischer Studierender und Ausbildungsinteressierter in Deutschland. Die AGTB zielt auf:
- Berufliche Integration: Arabische Talente mit deutschen Unternehmen zusammenzubringen, um praktische Erfahrungen zu sammeln und langfristige Karrieremöglichkeiten zu schaffen.
- Internationalisierung: Deutsche Unternehmen durch die Integration arabischer Fachkräfte und Studierender international zu stärken.
- Kulturelle Verständigung: Förderung des interkulturellen Austauschs und der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und arabischen Ländern.
Im Detail will sie folgendes Angebot schaffen:
- Breites Unterstützungsangebot: Praktikumsvermittlung, Beratung und Mentoring für arabische Studierende und Absolventen, die sich gezielt für eine Karriere in Deutschland interessieren.
- Aufbau von Netzwerken: Ein Alumni-Pool und regelmäßige Austauschformate sorgen dafür, dass langfristige Kontakte entstehen und Wissen nachhaltig weitergegeben wird.
- Studienbotschafter-Programm: Freiwillige Studierende identifizieren Bedarfe direkt an den Hochschulen, um Förderangebote stetig zu verbessern und praxisnah zu gestalten.
- Karrieretage und Vernetzungsevents: Unternehmen und potenzielle Kandidaten lernen sich in informellen Formaten kennen, was den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt erleichtert.
German Emirati Institute (GEI)
Das German-Emirati Institute ist als Durchführungsorganisation der emiratischen Regierung (Emirates Talent Competitiveness Council ETCC) beauftragt, über Schulungs- und Einstellungsprogramme Arbeitsplätze hoch qualifizierte zu schaffen.
Dabei greifen gleich mehrere Ansätze wie NAFIS. Dabei wird der Austausch von emiratischen Talenten mit deutschen Unternehmen von der Regierung gefördert. Über JUSOOR International sollen Talente aus den Emiraten gezielt mit deutschen Unternehmen zusammengebracht werden. Im Emirati Global Accelaration Program (EGAP) wird das GEI emiratischen Hochschulabsolventen Arbeitsverträge in deutschen Unternehmen vermitteln.
- Fokus auf die Golfregion: Das Institut verbindet Fachkräfte aus den Vereinigten Arabischen Emiraten mit deutschen Unternehmen.
- Langfristige Kompetenzerweiterung: Über die reine Vermittlung hinaus werden Partnerschaften zwischen Bildungseinrichtungen und Unternehmen gefördert.
- Brücke zwischen zwei Wirtschaftsräumen: Deutsche Firmen profitieren von qualifiziertem Personal und erweitern zugleich ihre Netzwerke in den Emiraten.
Rahmenbedingungen für eine nahtlose Integration
Der Erfolg solcher Initiativen hängt maßgeblich davon ab, wie gut sich arabische Talente in Deutschland einleben und ihre Fähigkeiten einsetzen können. Hier kommt die Politik ins Spiel: Eine zügige und transparente Visavergabe ist dabei ebenso wichtig wie ein ausreichendes Angebot an Sprachkursen.
Darüber hinaus müssen teilnehmende Unternehmen ein kulturelles Onboarding ermöglichen, damit sich neue Mitarbeitende willkommen fühlen und ihre Kompetenzen optimal entfalten können.
Eine gezielte Anwerbunspolitik wird um so erfolgreicher, je mehr Politik, Wirtschaft und Bildungseinrichtungen an einem Strang ziehen. Nur eine gelungene Integration wird sowohl dem Fachkräftemangel in Deutschland als auch den Karriereperspektiven arabischer Talente gerecht werden.
Durch eine enge Zusammenarbeit von Unternehmen, Hochschulen und staatlichen Stellen entstehen Synergien, die junge arabische Talente erfolgreich in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren.
- Für Unternehmen bedeutet dies Zugang zu hochmotivierten Nachwuchskräften mit internationalem Blickwinkel.
- Talente aus arabischen Ländern erhalten gleichzeitig neue Perspektiven, können praktische Erfahrungen sammeln und ihre Kompetenzen erweitern.
- Politik und Gesellschaft profitieren insgesamt von einem global vernetzten Arbeitsmarkt, der Innovation fördert und den Herausforderungen des demografischen Wandels effektiv begegnet.
Dieses Modell birgt ein langfristiges Potenzial – zum gegenseitigen Vorteil: Der Arbeitsmarkt bei uns in Deutschland kann nachhaltig gestärkt werden. Arabische Unternehmen erhalten durch die Kooperationen mit deutschen Unternehmen und Bildungseinrichtungen qualifizierte Mitarbeiter mit „deutschem Schliff“. Durch diesen interkulturellen Austausch entstehen persönliche Verbindungen zwischen Unternehmen und Institutionen mit einer ermutigenden Perspektive.
Von Raimund Reinecke