Die nationale Tourismusstrategie 2035 der tunesischen Regierung zielt darauf ab, das Land zu einem nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Reiseziel zu machen. Der Tourismus macht etwa 9 % des tunesischen Bruttoinlandsprodukts aus, aber während der COVID-19-Pandemie brachen die Besucherzahlen ein und belasteten die ohnehin schon angeschlagene Wirtschaft zusätzlich. Nach Angaben der nationalen Tourismusbehörde (Office Nationale du Tourisme Tourist Tunisien – ONTT) wurde im Jahr 2019, dem letzten Jahr vor der Pandemie, eine Rekordbesucherzahl von 9,5 Millionen erreicht. Danach reduzierten sich infolge der Pandemie die Touristenströme drastisch auf 2 Mio. (2020) und 2,3 Mio. Besuchern (2021). Danach verzeichnete der Tourismus in Tunesien einen deutlichen Aufschwung, indem die Zahl der Touristenankünfte auf 6,4 Mio. (2022) und auf die geschätzte neue Rekordzahl von 9,6 Mio. (2023) anstieg. Gemäß ONTT-Angaben waren 2022 Frankreich, Deutschland, Polen, die Tschechische Republik und Algerien die Länder mit den meisten Besuchern in Tunesien.

Die Entwicklung der Touristenankünfte spiegelte sich auch in den vom Tourismussektor generierten Einnahmen wider, die 2019 mit 1,9 Mrd. US-Dollar den Höchststand erreichten und drastisch auf 0,7 Mrd. US-Dollar (2020) und 0,8 Mrd. US-Dollar (2021) fielen. Die 2022 erzielten Einnahmen von 1,7 Mrd. US-Dollar dokumentierten deutlich den wieder eingetretenen Erholungstrend. Für 2023 schätzte ONTT die Einnahmen auf 2,2 Mrd. US-Dollar, die ein Rekordergebnis bedeuten, das auch seinen Niederschlag in der positiven Leistungsbilanzentwicklung fand. Nach Einschätzung der Weltbank haben neben dem geringeren Handelsdefizit vor allem auch die gestiegenen Einnahmen aus dem Tourismus das Leistungsbilanzdefizit 2023 gemildert und den Druck auf die Außenfinanzierung verringert. Trotzdem bleibt Tunesien aufgrund der unsicheren Finanzierungsbedingungen und der hohen Auslandsschuldenrückzahlungen (3 % des BIP) weiterhin auf externe Kredithilfen angewiesen.

Der tunesische Tourismus hatte mit mehreren Krisen zu kämpfen, vor allem nach der COVID-19-Pandemie, die seine Leistung und Wettbewerbsfähigkeit beeinträchtigt haben. Diese Entwicklungen haben das Tourismusministerium veranlasst, seine Strategie den neuen Gegebenheiten anzupassen, um vielversprechende Märkte zu erobern und das tunesische Angebot zu diversifizieren, erklärte der Minister für Tourismus und Handwerk Belhassine im August 2023 in einem Interview mit der staatlichen tunesischen Nachrichtenagenturagentur TAP. Die Strategie stützt sich dabei auf vier Hauptachsen: die Entwicklung der Wettbewerbsfähigkeit Tunesiens, die Diversifizierung des touristischen Angebots, die Ankurbelung von Investitionen in diesem Sektor und die Entwicklung von Werbemechanismen.

Die Schaffung eines „Obersten Rates für Tourismus“, der als Koordinationsmechanismus mit den anderen in diesem Sektor tätigen Ministerien dienen soll, und die Erarbeitung eines „Tourismusgesetzbuches“, das den Rechtsrahmen vereinheitlichen und Investitionen in den Tourismus fördern soll, sind dabei wichtige administrative Vorhaben. Ferner geht es darum, neue Quellmärkte zu identifizieren, um den Mix des Einreiseverkehrs zu diversifizieren und neue Investitionen anzuziehen. Der Minister betonte, dass es um die Entwicklung von Resort-Komplexen der neuen Generation, Reisezielen und Masterplänen sowie die Einführung neuer Marken und Konzepte auf dem Markt geht. Tunesien wird auch wegen seiner erschwinglichen Gesundheitseinrichtungen und der hohen Standards der medizinischen Dienstleistungen immer beliebter. Der Medizintourismus hat sich von einem durch die Pandemie verursachten Stillstand erholt, und der Sektor erwirtschaftete 2023 etwa 1,1 Mrd. US-Dollar, was etwa die Hälfte der gesamten Tourismuseinnahmen entsprach. Unter den 9,6 Mio. ausländischen Besuchern befanden sich 2023 mehr als 500 000 Patienten, die in Tunesien ins Krankenhaus eingeliefert wurden. Das Gesundheitsministerium arbeitet an einer besseren Koordinierung zwischen Agenturen für Medizintourismus, Gesundheitsdienstleistern und anderen Akteuren sowie an einer Zusammenarbeit mit dem Privatsektor.

Das Volumen der Tourismusinvestitionen in Tunesien hat sich in den letzten Jahren erhöht. Nach ONTT-Angaben beabsichtigen viele potenzielle Investoren gegenwärtig, in 174 Projekte im Gesamtwert von 178 Mio. US-Dollar zu investieren. Wichtigste Projekte, die derzeit umgesetzt werden und für 2024 geplant sind, bilden in Tunis der Bau eines 5-Sterne-Hotels (ca. 16,3 Mio. US-Dollar) und die Fertigstellung des „Marriott/Westin“-Hotels (ca. 29 Mio. US-Dollar). In der Region Tabarka wurde ein großes Tourismusprojekt mit einem Gesamtinvestitionsvolumen von 32 Mio. US-Dollar in Angriff genommen. Derzeit befinden sich drei weitere große touristische Projekte in Tunis, Douz und Djerba in der Planung.

Bedeutend sind ferner mehrere Programme zur Förderung des tunesischen Tourismussektors die von der EU und ihrem Programm „Tounes Wijhetouna“ unterstützt werden, um die Diversifizierung des Tourismus, die Entwicklung des Kunsthandwerks und die Aufwertung des kulturellen Erbes zu fördern. Visit Tunisia, eine fünfjährige, von USAID finanzierte Maßnahme, zielt darauf ab, den tunesischen Tourismus auszubauen und zu diversifizieren, nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen und die Einnahmen aus dem Tourismus zu erhöhen. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) setzt ihr Programm zur Förderung des nachhaltigen Tourismus in Tunesien fort. Hierzu gehört auch das Projekt AOTD Tunis zur Entwicklung des Abenteuer- und Outdoortourismus in Tunesien, das vom Ministerium für Tourismus mit Unterstützung der GIZ umgesetzt und gemeinsam vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und von der Europäischen Union finanziert wird.