Von Ermattung nach dem großen Weltfest des Fußballs keine Spur: Im kommen Jahr wird Katar Aufträge im Wert von 19 Milliarden US-Dollar vergeben. Sie sollen vorrangig der weiteren Entwicklung des wohlhabenden Emirates als Wirtschafts-Standort dienen. Wer in Katar zum Zuge kommen möchte, sollte schnell einen Blick in die Ausschreibungen werfen. Im ersten Quartal 2024 werden bereits 65 Prozent des Volumens vergeben: Für insgesamt gut 1 500 Projekte.

Wohl hat sich das Wachstum Katars hat nach einem starken WM-Jahr 2023 etwas abgeschwächt. In 2024 wird es 2,2 Prozent betragen. Das Leistungsbilanzsaldo des Landes wird geschätzt bei 15,4 Prozent liegen.

Treiber des Wirtschaftswachstums ist weiterhin die dominierende Gasindustrie. Der Ausbau des North Field LNG-Projekts wird die Wirtschaft in den kommenden Jahren weiter massiv ankurbeln. Katar erhöht seine LNG-Produktionskapazität von derzeit 77 Millionen Tonnen pro Jahr auf 126 Millionen Tonnen pro Jahr bis 2026/2027 mit weiteren sechs LNG-Produktionsanlagen. Das staatliche Unternehmen QatarEnergy arbeitet bei diesem globalen Projekt mit den Europäern Total Energies und Eni, den internationalen Konzernen Shell, ConocoPhillips und ExxonMobil zusammen – aber auch mit den chinesischen Energiegiganten Sinopec und CNPC.

Neben LNG wird auch Ethangas produziert, das als Rohstoff in der petrochemischen Industrie verwendet wird. Hier ergeben sich gerade für deutsche Firmen lukrative Investitionsmöglichkeiten und Geschäftsfelder.

Zudem will Katar über verschiedene lokale Freihandelszonen Investitionen ausländische Firmen und Produktionsanlagen in Doha ansiedeln, um die Wirtschaft breiter aufzustellen sowie regionale Wirtschaftscluster zu erstellen. Die für Ansiedlungen zuständige staatliche Institution „Invest Qatar“ fördert über zahlreiche Anreize ausländische Investitionen. „Invest Qatar“ listet mehr als 14 Wirtschaftssektoren auf, in denen auch deutsche Firmen Unterstützung in Katar finden können. Hilfreich: Die Organisation hält für potenzielle Investoren Studien der regionalen und internationalen Märkte der jeweiligen Sektoren vor. Das spart eigenen Aufwand – und Kosten.

Ein Teil des ordentlichen Überschusses im Staatshaushalt (2023 rund 7,5 Milliarden Euro) soll auch 2024 in die Rückzahlung der Staatsschulden gehen, die Zentralbankreserven sollen aufgestockt und der Staatsfonds (QIA) soll weiter bedient werden. Doch vor allem wird massiv in das eigene Land und seine Fähigkeiten als Wirtschaftsstandort investiert.

2024 sollen 2.528 Ausschreibungen veröffentlicht werden, verteilt auf 16 Wirtschaftssektoren und mehr als 100 Wirtschaftszweige. Der Gesamtwert:19 Milliarden US-Dollar. 65 Prozent der Gesamtausschreibungen werden schon im ersten Quartal bekannt gegeben.

Wo wird staatliches Geld ausgegeben und für was?

Generell lassen sich folgende Trends beobachten: Auch nach der WM 2022 wird Katar weiter erheblich in Infrastruktur, Versorgung, Gesundheit und Bildung investieren, wobei der Schwerpunkt zusätzlich auf der Digitalisierung und Dienstleistungen liegt. Darüber hinaus lässt sich eine starke Unterstützung für nationale Unternehmen und ein Interesse an privaten öffentlichen Partnerschaften (PPP) beobachten.

Die ausschreibenden Stellen weisen klar auf die Sektoren hin. Beispiel: Der Infrastrukturentwickler Ashghal. Obwohl Katar schon jetzt für jeden Besucher den Eindruck eines hoch entwickelten, top-modernen Landes erweckt, soll die Entwicklung weitergetrieben werden. Neue Areale in der ariden Region sollen voll erschlossen, durch Straßennetze verbunden und Autobahnen weiter entwickelt werden. Straßen und öffentliche Plätze sollen verschönert und öffentliche Gebäude weiter herausgeputzt werden.

Wasser ist in einem Wüstenland immer ein Thema – auch bei der Entsorgung der knappen Ressource: Abwassersy–steme und vor allem die nachhaltige Einleitung in den Boden und ins Meer bleiben ein Dauerthema. Der Wasser- und Stromversorger Kahramaa wird entsprechend Aufträge vergeben. Das Gesundheitsministerium MoPH und der Gesundheitsdienst Primary Health Care Corporation PHCC werden das System der öffentlichen Gesundheitsversorgung weiter entwickeln. Darüber hinaus sind das Sportzentrum Aspire Zone und das Bildungsministerium MOEHE lukrative Entwicklungsfelder. Vorgenannte Institutionen sind für 70 Prozent des angekündigten Ausschreibungsvolumens gut.

85 Prozent der Ausschreibungen entfallen auf fünf Hauptwirtschaftssektoren: Auf den Bausektor, auf Information und Kommunikation und auf den Groß- und Einzelhandel. 351 Ausschreibungen wird es für wissenschaftliche und technische Dienstleistungen geben und 263 Ausschreibungen für Verwaltungs- und Supportdienstleistungen.

Eine erhöhte Transparenz bei den Ausschreibungsverfahren soll auf Unternehmerseite bessere Planbarkeit der Ressourcen, Kapazitäten und Investitionen ermöglichen. Eine zentrale Beschaffungsstelle verwendet internationale Standards für die Kategorisierung von Beschaffungsausgaben, welche die kommerziellen Aktivitäten der Unternehmen sowie deren auf der Grundlage ihrer finanziellen und technischen Fähigkeiten umfassen.

Erklärtermaßen sollen der In-Country-Value (ICV) und die Lokalisierung im Mittelpunkt der staatlichen Beschaffungsausgaben stehen. Dadurch werden lokal entstehende Produkte und Dienstleistungen in den verschiedenen Wirtschaftssektoren gefördert und insbesondere kleine und mittlere Unternehmen sollen davon profitieren.

Es gibt ein generelles Bestreben, die Wettbewerbsfähigkeit lokaler Produkte und Dienstleistungen zu steigern und zu schützen. Gleichzeitig soll der Wettbewerb auf dem freien Markt aufrechterhalten werden. Vor allem der letzte Punkt kann deutsche Unternehmen ermutigen, den Schritt nach Katar zu wagen.

Generell bleibt abzuwarten, in welchen Sektoren Katar seinem erklärten Ziel nachkommt, Cluster aufzubauen, die regional und international wettbewerbsfähig sind und gleichzeitig den nationalen und strategischen Interessen des Landes dienen.

Die Themen Nahrungsmittelproduktion, Finanzdienstleistungen / Fintech, Gesundheitswirtschaft, die Herstellung von Spezial-Chemikalien, der Transport von Wasserstoff, sowie der Bildungssektor sind einige geeignete Kandidaten und stehen damit hoch im Kurs der Regierung.

Von Dr. Jeremias Kettner

Dr. Jeremias Kettner ist deutscher Außenpolitikexperte, Wirtschaftsberater und zertifiziertes Aufsichtsratsmitglied. Mit seinem Buch „Deutsche Außenpolitik gegenüber Katar von 1999 – 2014“ schuf der Politikwissenschaftler das Standardwerk über die Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Ein Buch über „Leadership und Public Diplomacy in Katar“ erscheint demnächst bei Palgrave Macmillan. Sein Unternehmen The Bridge hat sich auf politische Risikoanalyse, Stakeholderdialoge, BD und Investitionsanbahnung spezialisiert. Kettner fungiert bei Roland Berger als Senior Expert und ist Senior Fellow bei Agora Strategy.