Die King Fahad Nationalbibliothek in Riyadh ist eines der ersten Gebäude in der arabischen Welt, das sich mit der Idee der Nachhaltigkeit in Form vielfältiger ressourcensensibler Konzepte auseinandergesetzt hat. Der SOUQ hat die Schöpfer dieser viel gerühmten Kreation, die Gerber Architekten International GmbH gebeten, uns das Konzept des Objektes zu erläutern und aktuelle Planungen in Saudi-Arabien vorzustellen.

An der zeitgenössischen Architektur Saudi-Arabiens lassen sich viele Parameter ablesen, die angesichts der Herausforderungen sogenannter ‚Hot Cities‘ von elementarer Bedeutung sind. Das Phänomen ‚Hot Cities‘ resultiert aus europäischer Sicht aus der zunehmenden Verstädterung unseres Lebensraumes und ist zudem eine Folge des allgemeinen Klimawandels – in Saudi-Arabien ist es wie in vielen anderen Gegenden der Welt Lebensalltag. Auf der Arabischen Halbinsel trägt die globale Erwärmung zur Verschärfung der eh schon extremen Klimaverhältnisse bei. Deswegen wird sich hier besonders deutlich, wie eine sinnvoll eine Verknüpfung lokal geprägter, sogenannter vernakulärer Bautraditionen mit innovativen Lösungen Möglichkeiten ist. Sie kann als Blaupause für ‚Hot Cities‘ in anderen Gegenden der Welt dienen. Entscheidend sind dabei die Stadtplanung, die Gebäudekonzeption und die Wahl des Materials.

King Fahad Nationalbibliothek – ressourcensensible Nachhaltigkeit

Schon seit vielen Jahren befasst sich Gerber Architekten mit Nachhaltigkeitskonzepten, so auch bei der King Fahad Nationalbibliothek, die 2002 im Wettbewerb den 1. Preis erhielt. Ihr Entwurfsansatz beruht auf dem Erhalt des Bestandsgebäudes als im Inneren des Bibliotheksneubaus bewahrtes und beschütztes Zentrum. In seiner Kompaktheit fügt sich der neue quaderförmige Baukörper in das Raster der saudischen Hauptstadt ein, weitet dieses aber durch den vor dem Haupteingang befindlichen palmenbestandenen Platz auf. In den kühlen Abendstunden ist dort ein angenehmer Aufenthalt im Freien möglich, was in Riyadh eine Besonderheit darstellt.

Dieser Gedanke der Öffnung prägt auch das Konzept der King Fahad Bibliothek. Während sich die Baukörper der traditionellen saudischen Architektur gegen das natürliche Tages- bzw. Sonnenlicht weitgehend verschließen, zielt unser Ansatz auf die gezielte Regulierung und gleichzeitige Nutzung der natürlichen Sonneneinstrahlung. Hierdurch kann der beträchtliche Einsatz künstlicher Lichtquellen in den traditionell verdunkelten arabischen Gebäuden möglichst gering gehalten werden.

Die plastisch gestaltete Fassade der King Fahad Bibliothek ist daher als Sonnenschutz und natürliche Lichtquelle gleichermaßen konzipiert. Wie eine ornamentale Hülle bedeckt ein System rautenförmiger Sonnensegel die gläserne Fassade. Das lichtdurchlässige Glasfasergewebe hält einen Großteil der direkten Einstrahlung ab, bietet aber zugleich eine ausreichende Belichtung. Mit nur 7 Prozent Lichtdurchlässigkeit ist ein wirksamer Sonnenschutz gegeben. Die Tragkonstruktion der vorgehängten Sonnensegel beruht auf diagonal gespannten, sich kreuzenden Zugseilen, wodurch der Baukörper von einer schützenden Hülle umgeben scheint. Dies ist eine Neuinterpretation des traditionellen arabischen Zeltmotivs und des Gedankens des schützenden Verbergens, multipliziert und als semitransparentes ornamentales Raster auf die Fassade übertragen. Die weißen Membranen des außenliegenden Sonnenschutzes nutzen die traditionelle Sprache des arabischen Zeltbaus auf eine neue technologische Weise.

Auch die Dachfläche der King Fahad Bibliothek ist integraler Bestandteil des Lichtmanagements. Auf ihr befinden sich streifenförmige Oberlichter, die auf der Innenseite flächendeckend mit weißen Kunststoff-Membranen bespannt sind. Sie sorgen dafür, dass direktes Sonnenlicht reflektiert, das Tageslicht aber gefiltert wird und dosiert zur Beleuchtung in das Gebäude hineinfließt. Blendungen und unerwünschte Reflexionen werden zugleich ausgeschlossen.

Im Hinblick auf die Aufenthaltsqualität im Innenraum spielt das Thema Schichtlüftung und Bodenkühlung eine besondere Rolle. Erklärtes Ziel war hierbei, nur soviel Kühlung wie notwendig zu erzeugen und gezielt die unteren drei Meter, die dem tatsächlichen Aufenthaltsbereich der Besucher entsprechen, angenehm zu temperieren. Erreicht wird dies durch die genaue Kalkulation der Wassermenge, die durch den Boden geleitet wird. Dass die restliche Hallenhöhe unberücksichtigt bleibt, schadet der allgemeinen Aufenthaltsqualität in keinster Weise. Wichtig ist bei diesem System das langsame Einfließen der Luft, so dass ausreichend Zeit zur Kühlung besteht. Nachdem sich die Luft allmählich wieder erwärmt hat, steigt sie infolge des thermischen Auftriebs in die Höhe, wird anschließend abgezogen, mit Frischluft durchmischt und dem Kühlsystem wieder zugeführt. Dies ermöglicht eine enorme Energieersparnis.

Smart-City-Konzepte für klimatische Extreme

Im übergeordneten Kontext der Stadtplanung können besondere Qualitäten erzeugt werden, die selbst großflächige Areale in extremen klimatischen Verhältnissen zu angenehmen Arbeits-, Wohn- und Lebensräumen gestalten.

Zurzeit ist Gerber Architekten im Rahmen mehrerer Planverfahren dabei, entsprechende Smart-City-Konzepte zu realisieren. Bei den Projekten am Roten Meer ist dabei die Küstennähe von strategischer Bedeutung. Sie ermöglicht die Entwicklung von Mixed-use-Konzepten mit einer Kombination von Industrie- und Arbeitszonen sowie Wohn- und Freizeitbereichen, die optimal aufeinander abgestimmt werden. Schwimmende Strukturen ermöglichen einen geringen Footprint und stellen hinsichtlich Energie und Klima einen deutlichen Mehrwert dar. Durch die Anwendung Smarter Infrastruktur-Konzepte ist ein intelligenter und ressourcenschonender Umgang mit Energie möglich, die ausschließlich mithilfe Erneuerbarer Energiequellen erzeugt wird.

Stadtplanerisch gibt es eine Vielzahl klimawirksamer Parameter, die eingesetzt werden können. Aus der Erweiterung der nahegelegen Küstenzone wird ein öffentlicher Park geformt, der gestalt- und klimaprägend ist. Ergänzend zu der peripheren Küstenzone tritt ein System frei verteilter Plätze und Grünflächen, die sich gleichmäßig durch den Stadtraum ziehen. Die Aufenthaltsqualität im Freien wird auch durch die sorgfältige Festlegung der Straßenausrichtung, die Definition der Gebäudehöhe und -kubatur sowie die Anordnung der Baumpflanzungen geprägt. Dieses Zusammenspiel erzeugt eine optimale Beschattung der öffentlichen Räume. Begrünte Innenhöfe bieten ruhige Aufenthaltszonen im Freien.

Hinzu kommen Smart Mobility-Konzepte mit autonomem Fahren ebenso wie Mikromobilität on demand, wodurch die Umwelt- und Klimabelastung reduziert wird. Auf die Nutzung privater Fahrzeuge kann hierdurch verzichtet werden. Dies wirkt sich positiv auf die Luftqualität aus, ebenso wie das Beschattungskonzept, gezielte Windschneisen und die dezentralen Grünzonen, wodurch Hitzeballungen im Außenraum vermieden werden und eine ganz neue Aufenthaltsqualität im Freien entstehen kann. Öffentliche Boulevards bieten vielfältige Möglichkeiten für das soziale Leben, darunter gastronomische Angebote und Sportmöglichkeiten im Freien und anderes mehr.

Hot Cities‘ im ganzheitlichen BlickwinkelUnsere Überlegungen zum Thema ‚Hot Cities‘ folgen immer einer ganzheitlichen Betrachtung. Eine ausführliche Analyse der topographischen und klimatischen Gegebenheiten gehört zu den Grundvoraussetzungen. Wenn diese Parameter bereits in die Masterplanung einfließen und mit modernen Technologien aus den Bereichen Energie, Mobilität, Stadtplanung und Kommunikation kombiniert werden, entstehen Arbeits-, Wohn- und Lebensräume, in denen klimatische Herausforderungen smart gelöst werden können.