Die Mitgliedschaft des Irak in der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) wird dem Irak ermöglichen, die wirtschaftliche Diversifikation voranzubringen, die Infrastruktur zu modernisieren und die lokale Wertschöpfung zu stärken. Öl und Gas bleiben weiter wichtig; doch die finanziellen Mittel und das Know-How des EBRD sollen die Weichen Richtung „grüne Wirtschaft“ Stärkung des privaten Sektors gestellt werden.

Nachdem Ende letzten Jahres die Gremien der EBRD die Aufnahme des Irak als Anteilseigner („shareholder“) der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) ermöglicht haben, entwickelt die Bank nun eine Länderstrategie und erarbeitet eine Projektpipeline. Als nächstes wird der Irak die Gewährung des Status eines Empfängerlandes („recipient country/economy“) beantragen. In Baghdad ist die Zuversicht groß, dass die Gelder bald fließen und die Programm zügig starten können.

Die EBRD wird vorrangig Projekte im irakischen Privatsektor fördern, nur etwa 25 Prozent des Investments sollen in den öffentlichen Bereich fließen.

Der Irak ist das 74. Mitglied der EBRD, die heute in etwa 38 Volkswirtschaften in Mitteleuropa, Zentralasien, im südlichen und östlichen Mittelmeerraum aktiv ist. Auf der Jahrestagung der EBRD im Mai 2023 in Samarkand, Usbekistan, wurde festgelegt, dass der Irak in die Regionalgruppe südlicher und östlicher Mittelmeerraum (SEMED: u.a. mit Ägypten, Jordanien, Libanon) integriert wird. Das macht Sinn, denn zu diesen Ländern unterhält der Irak intensive ökonomische Beziehungen.

Nach welchen Richtlinien wird die EBRD die Mittel vergeben und in welche Sektoren werden sie vergeben? Der Rahmen ist recht klar definiert.

Als multilaterale Entwicklungsbank verfügt die EBRD über ein politisches Mandat. Sie arbeitet mit Ländern zusammen, „die sich zu den Grundsätzen der Mehrparteiendemokratie, des Pluralismus und der Marktwirtschaft bekennen und diese anwenden“. Daher fördert sie in den Einsatzländern die Transformation zur Marktwirtschaft, die Entwicklung des Privatsektors, die unternehmerische Initiative und unterstützt ferner durch politische Beratung und Dialog. Die Reformen in diesen Ländern werden ergänzt durch Training und technisches Expertenwissen.

In folgenden Sektoren engagiert sich die EBRD vorrangig: Klima- und Umweltschutz, Förderung nachhaltiger Energieerzeugungsverfahren, grüne Infrastruktur, Climate Change Projekte, die Digitalwirtschaft sowie die Reform von Banken und Finanzsystemen, Agribusiness, Transport, Governance und Wettbewerb.

Auch in der Zusammenarbeit mit dem Irak wird die EBRD ihre bewährten Finanzinstrumente einsetzen: Dazu gehören: Unterstützung durch Projektfinanzierungen, Kredite für den Privatsektor, die Ermöglichung von Kofinanzierungen, syndizierte Kreditoperationen, Equity und Gewährung von Garantien. Zusammengearbeitet wird vorrangig mit renommierten Geschäftspartnern. Bei der technischen Zusammenarbeit soll auch mit anderen internationalen Finanzinstitutionen und Organisationen und deren spezifischen Förderprogrammen kooperiert werden.

Seit Gründung der Bank sind so 6800 Vorhaben mit einem Gesamtvolumen 190 Milliarden EURO realisiert worden. Die Bank achtet streng auf die Einhaltung ihres Grundsatzes der Transparenz und einer Bewertung des Ergebnisses.

Die Wirtschaftsaussichten für den Irak haben sich nach Einschätzung der Weltbankgruppe (IBRD) zuletzt verbessert. Das BIP wird von 2,6 Prozent in 2021 auf voraussichtlich 4,2 Prozent 2023 und 3,1 Prozent in 2024 wachsen. Die weitere wirtschaftliche Erholung ist allerdings abhängig von der Entwicklung der internationalen Ölmärkte. Etwa 42 Prozent des BIP basieren auf den Einnahmen aus dem Erdölgeschäft, das 85 Prozent des Budget speist und mehr als 90 Prozent der irakischen Exporteinnahmen ausmacht.

Trotz der erzielten Überschüsse, insbesondere in 2022, bleibt die Abhängigkeit von Öl und Gas und der volatilen Preisentwicklung ein Risiko für die sozio-ökonomische Entwicklung des Irak. Ölschocks, externe Schocks wie eine Pandemie oder kriegerische Auseinandersetzungen und klimatische Einflüsse können die Entwicklung nachhaltig beeinträchtigen. Die Vielschichtigkeit dieser Herausforderungen macht klar, dass die irakische Regierung Strukturreformen schleunigst angehen und umsetzen muss.

Der Internationale Währungsfonds (IWF) empfiehlt, die Anstrengungen zur Verbesserung des Management der öffentlichen Finanzen vorzusehen, die Einnahmen aus dem Nicht-Erdölsektor zu erhöhen, Strukturreformen der öffentlichen Verwaltung durchzuführen und die Effizienz insbesondere des Elektrizitätssektors zu erhöhen.

Die EBRD wird daher die Zusammenarbeit mit dem Irak auf Projekte der Bereiche Energie, Infrastruktur, Wettbewerb und Governance konzentrieren. Die Finanzierung einer „grünen Transformation“ und die Entwicklung des irakischen Bankensektors gehören für die EBRD zu den prioritären Aufgaben der Kooperation.

Obgleich Erdöl und Erdgas auch künftig einen erheblichen Anteil an der irakischen Wirtschaftsleistung ausmachen werden, ist es ein prioritäres Anliegen, die Energieerzeugung und die Industrie zu diversifizieren. Erneuerbare Energien (Solar- und Windkraftanlagen) werden eine besondere Förderung der EBRD erfahren, verbunden mit Reformen des Elektrizitätssektors und der verstärkten Anwendung von Public Private Partnership-Vereinbarungen.

Weniger Wasser

Das Programm ist umfangreich: Übertragungs- und Verteilungsnetze sollen modernisiert werden, die Wasserförder- und aufbereitungsanlagen effektiver gemacht und die Wasserversorgung und -entsorgung auf die Folgen des Klimawandels ausgerichtet werden. Wasser wird im Zweistromland zur Mangelware. Deshalb werden Wasserkraftwerke an Bedeutung verlieren, Solar- und Windkraftwerke sollen sie ersetzen.

Die EBRD wird ferner durch Investitionen in den irakischen Bankensektor zur Verbesserung der Leistungen der Banken beitragen. Bedeutende irakische staatliche Finanzinstitute sollen restrukturiert werden, auch um die Stabilität des Finanzsektors zu verbessern und die Entwicklung des Privatsektors zu unterstützen. Hier soll das Angebot von digitalen Services erweitert und die Erreichbarkeit von kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) erhöht werden. Es wird eigens Trainingsprogramme geben, um die Banken auf die Möglichkeiten und Fähigkeiten bei KMU zu erhöhen.

Die Mitgliedschaft des Irak in der EBRD wird allgemein als ein wichtiger Schritt für die wirtschaftliche Entwicklung des Landes gesehen, der die weitere Entwicklung der bilateralen Wirtschaftsbeziehungen und die verstärkte Integration in die internationalen Finanz- und Wirtschaftsbeziehungen beschleunigen wird. Für deutsche Unternehmen bietet die EBRD-Mitgliedschaft große Chancen, die wirtschaftliche Kooperation mit dem Irak zu erweitern.