An dem Forum nahmen nahezu 300 hochrangige Persönlichkeiten und Experten aus Deutschland und dem Irak teil. Aus dem Zweistromland war eine etwa 100-köpfige Delegation angereist, die von Dr. Fuad Mohammed Hussein, stellvertretender irakischer Ministerpräsident und Finanzminister, angeführt wurde. Weitere Minister und Dr. Sami Al Araji, der Chairman der National Investment Commission (NIC), hielten im Rahmen des Forums Vorträge.

Veranstaltet wurde das Forum von der Ghorfa, der irakischen Botschaft in Berlin und dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). Für die Ghorfa begrüßte Generalsekretär Abdulaziz Al-Mikhlafi die Gäste und wies darauf hin, dass die Ghorfa mit Nachdruck an der Stärkung der wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Irak arbeitet. Der Wiederaufbau in dem Zweistromland biete große Chancen für deutsche Unternehmen.

Laut DIHK-Außenwirtschaftschef Volker Treier hat der Irak mit einer Bevölkerung von fast 40 Mio. Menschen das Potenzial „einer der größten Exportmärkte für die deutschen Unternehmen in der Mena-Region zu werden“. Vor allem im Maschinen- und Anlagenbau, im Fahrzeugbau, in der Gesundheitswirtschaft und im Energiesektor sehe er Chancen. Allerdings erschwere die sicherheitspolitische Situation im Irak weiter ein stärkeres Engagement.

Thomas Bareiß, der parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, vertrat die Bundesregierung auf dem Forum. Er sprach sich – auch im Namen von Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel und Wirtschaftsminister Peter Altmaier – für einen Ausbau der deutsch-irakischen Beziehungen aus. Nicht zuletzt die erfolgreiche Parlamentswahl im Irak schüre den Optimismus für die weitere Entwicklung.

Viele deutsche Unternehmen seien im Irak geblieben. Das gelte auch für den Mittelstand. Weitreichende Gespräche stünden nun auf der Agenda, etwa über den Ausbau der Stromerzeugung und die Elektrifizierung des Landes. Bareiß spielte damit auf das geplante Engagement der Siemens AG im Irak an. Auch sei Deutschland bereit, den Irak bei dem Aufbau einer Berufsausbildung nach dem Vorbild des deutschen dualen Systems zu unterstützen. Ein großes Thema sei es zudem, die Diversifizierung der irakischen Industrie voranzubringen.

Dr. Fuad Mohammed Hussein, der stellvertretende irakische Ministerpräsident und Finanzminister, bedankte sich bei Deutschland für die Unterstützung im Kampf gegen den so genannten islamischen Staat (IS). Zugleich würdigte er die wirtschaftliche Unterstützung durch Deutschland. Deutsche hätten sich aktiv in den Wiederaufbau seines Landes eingebracht. Für die irakische Regierung hätten die Entwicklung des Strom- und Wassersektors zunächst Priorität. Insbesondere in diesen Bereichen sei man an einem verstärkten Engagement ausländischer Investoren interessiert.

Die neue irakische Regierung hat laut Hussein eine klare Vision und Strategie. Allerdings seien die Herausforderungen riesig, und der Wiederaufbau lasse sich nur durch kleine Schritte voran bringen. Die Sicherheitslage im Irak bessert sich nach Einschätzung von Hussein. Zugleich sei die Regierung bestrebt, die Bürokratie zu reduzieren und die Korruption effektiv zu bekämpfen.

Wie Dr. Salih Al Jabori, irakischer Minister für Industrie und Mineralien, auf dem Forum erklärte, haben ausländische Investoren im Irak die uneingeschränkte Unterstützung der Regierung. Sein Ministerium plane zahlreiche Projekte und arbeite an einer Roadmap für die wirtschaftliche Zusammenarbeit.

Laut Dhia Al Dabbass, irakischer Botschafter in Berlin, hat sich das Investitionsklima in seinem Land jüngst gebessert, und es engagierten sich wieder namhafte deutsche Unternehmen im Irak. Um diesen Prozess zu beschleunigen, schlug der Botschafter die Gründung eines deutsch-irakischen Business Council vor.

Cyrill Nunn, deutscher Botschafter in Bagdad, wies darauf hin, dass der Irak ein reiches Land mit umfangreichen Öl- und Gasvorkommen ist. Für die weitere wirtschaftliche Entwicklung kommt es nach seiner Meinung jedoch darauf an, einen sicheren Rechtsrahmen zu schaffen und insbesondere die Korruption zu beseitigen. Im Übrigen genießen, so Nunn, deutsche Unternehmen in dem Zweistromland großes Ansehen.

Dass deutsche Unternehmen im Irak bereits heute aktive Unterstützung leisten, wurde bereits in der ersten Session deutlich. In der Podiumsdiskussion sprachen Dr. Sami Al Araji, der stelv. Minister für Elektrizität, Aiser Habib Tobia Katoola, Haitham Al Khshali, stelv. Handelsminister, sowie Faisal Wissam Al Haimus, Vorsitzender der Trade Bank of Iraq und Dr. Dara Jaleel Al Khayat, Präsident der Kurdistan Federation of Chambers of Commerce mit hochrangigen Vertretern deutscher Unternehmen, die bereits Projekte in dem Land betreuen. So tauschten Dietmar Siersdorfer, CEO von Siemens Middle East & UAE, Dr. Hermann Sterzinger von Veridos und Jan von Allwoerden, Director International Business Development bei Euler Hermes mit den irakischen regierungsvertretern ihre Erfahrungen über die gemeinsamen Projekte aus. Dabei ging es nicht nur um den Aufbau eine nachhaltige Stromversorgung und die Finanzierung von Infrastrukturprojekten, sondern auch um mögliche Kooperationen, um den Verwaltungsapparat zu unterstützen.

Welche Herausforderungen der Irak insbesondere im Bereich der Infrastruktur zu meistern hat, wurde in der folgenden zweiten Session vertieft. Auch hier waren mit Siemens (Musab Alkateeb, CEO Siemens Iraq), Terramar (Peter Mayr, Managing Director), Bauer Spezialtiefbau (Peter Banzhaf, Head Dam Services) und der Deutschen Bank (Hussain Qaragholi, Director and CBC Head of Iraq, Northern Gulf & Levant) deutsche Unternehmen hochrangig vertreten. Dr. Mustafa Al Hiti, Head of Reconstruction Fund for Areas Affected by Terrorist Operations machte in diesem Zusammenhang deutlich, dass das Know-how der deutschen Unternehmen sehr gefragt sei.

Mit einigen Zahlen veranschaulichte Habib Katoola, die Brisanz der Lage. So seien von den derzeit installierten 28 Gigawatt (GW) an Energie gerade einmal 60 Prozent verfügbar. Dass Elektrizität eines der wichtigsten Elemente beim Wiederaufbau der Infrastruktur ist, darüber waren sich alle Teilnehmer der Diskussion einig. „Strom betrifft das tägliche Leben der Menschen direkt. Deshalb muss es hier so schnell wie möglich Ergebnisse geben“, erklärte Saeb Nahas, CEO der Nahas Enterprise Group. Mit internationaler Hilfe können diese Probleme allerdings beseitigt werden, fügte Al-Hiti hinzu. Er verwies auf die zahlreichen Hilfsgelder. Allein die KfW habe 2017 500 Mrd. US-Dollar als Entwicklungshilfe-Darlehen zur Verfügung gestellt.

Ganz im Zeichen des Öl- und Gas-Sektors stand die dritte Session der Veranstaltung, die von Felix Neugart, CEO des German Emirati Joint Council for Industry and Commerce (AHK), moderiert wurde. Raad Al Haris, Berater im Büro des Premierministers, machte zunächst deutlich, dass der Sektor nach wie vor leistungsfähig ist. So sei das Land in der Lage bis zu fünf Mio. Barrel Öl pro Tag zu fördern. Derzeit liege man aber in Absprache mit der OPEC bei 3,5 Mio. Barrel. Auch hier können deutsche Unternehmen bei ihrem Engagement in dem Land auf einen reichhaltigen Erfahrungsschatz zurückgreifen, wie Clarence Leu, Regional Project Director, Siemens, Ali Vezvaei, President & CEO von Bilfinger Middle East und Peter Schlemmer, Director Oil & Gas bei SAP in ihren Präsentationen deutlich machten.

Zwar gibt es inzwischen zahlreiche gemeinsame Projekte zwischen irakischen und deutschen Unternehmen, für einen langfristigen Erfolg sei es aber auch wichtig, in Bildung und Ausbildung zu investieren. Dieser Aspekt des Wiederaufbaus stand in Panel vier auf dem Programm. Dr. Laith Taleb Shubbar Berater im Büro des premierministers und Präsident des Energy and Water Development Center, betonte, dass nur durch Bildung auch Perspektiven für die Menschen im Land geschaffen werden. Gleichzeitig könnten auch die Unternehmen von gut ausgebildeten Fachkräften profitieren. Diese Win-Win-Situation sei auch von der deutschen Wirtschaft angestrebt, erklärte Nisrin Khalil, die Koordinatorin des German Liaison Office for Industry and Commerce im Irak. Mit Batoul Husseini, Director of Government Relations, and Corporate Social Responsibilty bei SAP MENA und Ralf Sauer, Head of Siemens Branch Management, waren zwei Vertreter deutscher Unternehmen bei der Diskussion anwesend, die bekannt dafür sind, auch Bildungsprogramme während ihrer Projekte zu initiieren.

Ein Bereich, in welchem deutsche Unternehmen besonders viel Know-how importieren und einen bedeutenden Beitrag leisten können, stand im Mittelpunkt der letzten Session, die von Uwe Stupperich, General Manager bei M.G. International Transports, moderiert wurde. So bietet auch der Gesundheitssektor weiterhin große Potenziale für deutsch-irakische Kooperationen. Dr. Markus Kraemer, Country Manager Iraq von Siemens Healthineers, und André Stumpf, Area Sales Manager von B.Braun Avitum schilderten in der Diskussion ihre Erfahrungen in dem Land und sprachen mit Dr. Tariq Waece, Business Development Manager des irakischen Unternehmens Minas Cosmetics über die nötigen Vorraussetzungen für mögliche Kooperationen.

Aber nicht nur deutsche Unternehmen sehen Potentiale für Investitionen in dem Land. Almut Knop, Business Officer Iraq im Bundesministerium für wirtschaftliche Kooperationen und Entwicklung, erklärte, dass auch Deutschland weiterhin an der Wiederaufbauhilfe festhält. Seit 2014 unterstütze ihr Ministerium auch mittels der GIZ das Land. Frau Knoop machte deutlich, dass eine langfristige Partnerschaft mit der irakischen Regierung angestrebt werde, um Reformen zu erreichen und dabei zu helfen, die Wirtschaft zu diversifizieren. Es gehe um mehr als nur Öl, sondern vor allem um die jungen Menschen. Bisher seien im Bereich Training, Bildung und Arbeitsplätze Erfolge erzielt worden mit über 23.000 Jobs. Nun gehe es darum, langfristige Arbeitsplätze zu schaffen. Insbesondere im Gesundheitssektor gebe es Projekte, die mehr als 3,5 Mio. Menschen nutzen. Krankenhäuser seien eine Priorität im Irak. Laut Frau Knop gehe es nicht darum, woher das Geld komme, sondern es sei wichtig, dass die Regierung bereit sei, Entscheidungen zu treffen.